Position gegen das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr“ in Bayern 

BESCHLUSS

In der aktuellen welt­poli­tis­chen Lage sind sowohl die Vertei­di­gungs­fähigkeit als auch die Arbeit an friedlichen Lösun­gen, wie sie im Rah­men von Zivil­dienst und Katas­tro­phen­schutz geleis­tet wer­den, von zen­traler Bedeu­tung. Auf­grund der neuen Geset­zes­lage im Rah­men des am 17. Juli 2024 beschlosse­nen Bun­deswehrge­set­zes ist es dem Bay­erischen Staatsmin­is­teri­um für Wis­senschaft und Kun­st (StMWK) nun möglich, den Uni­ver­sitäten eine Zusam­me­nar­beit mit der Bun­deswehr vorzuschreiben. 

Der Bay­erische Lan­desstudieren­den­rat (BayStu­Ra) spricht sich hier entsch­ieden gegen das „Gesetz zur Förderung der Bun­deswehr in Bay­ern“ aus. 

Zu Beginn möcht­en wir den fehlen­den Ein­bezug der Sicht der Studieren­den zu diesem Geset­zen­twurf scharf kri­tisieren. Diese sind genau­so Teil der Hochschul­land­schaft, die Zukun­ft der Wis­senschaft und Forschung und eben­so von den Fol­gen des Geset­zen­twurfs betrof­fen. Die Tat­sache, dass keine Stel­lung­nahme des Bay­erischen Lan­desstudieren­den­rats einge­holt wurde, stößt zum einen auf Unver­ständ­nis, zum anderen erwarten wir in Zukun­ft eine gle­ich­w­er­tige Ein­beziehung der stu­den­tis­chen Per­spek­tive in Angele­gen­heit­en der Hochschulen, damit wir im Geset­zge­bung­sprozess als geset­zliche Vertre­tung der Studieren­den unser Recht auf Anhörung ausüben kön­nen. Ein solch­es Desin­ter­esse an stu­den­tis­chen Belan­gen und Per­spek­tiv­en eracht­en wir als inakzept­abel. 

Der BayStu­Ra sieht ins­beson­dere den staatlichen Ein­griff in die Wis­senschafts­frei­heit — und damit indi­rekt in die indi­vidu­elle Gewis­sens­frei­heit aller Hochschu­lange­höri­gen — kri­tisch. In dieser Form ist das Gesetz nicht nur ein gravieren­der Ein­schnitt in die Frei­heit der Forschung, son­dern lädt auch zu Miss­brauch ein. Der Bay­erische Lan­desstudieren­den­rat ist der Auf­fas­sung, dass eine verpflich­t­ende Koop­er­a­tion mit der Bun­deswehr Forschende davon abhal­ten wird, zu ver­schiede­nen The­men zu forschen. Ähn­lich­er Ein­stel­lung ist auch die GEW: 

“Es ste­ht zu erwarten, dass auch in diesem Fall die Geistes- und Sozial­wis­senschaften sowie ins­beson­dere die ‚Kleinen Fäch­er‘ das Nach­se­hen haben wer­den, wenn die für die Bun­deswehr notwendi­gen finanziellen Kapaz­itäten aus ihren Töpfen abge­grif­f­en wer­den (im neuen Dop­pel­haushalt wur­den die meis­ten Zuwen­dun­gen des Staates für wis­senschaftliche Ein­rich­tun­gen gekürzt)” [1]. 

Wir sind der Mei­n­ung, es solle nicht möglich sein, Hochschulen dazu zu zwin­gen, mit der Bun­deswehr zusam­men­zuar­beit­en. In der verpflich­t­en­den Zusam­me­nar­beit zwis­chen Hochschulen und Bun­deswehr sehen wir eine Gefährdung für den Wis­senschafts­stan­dort Bay­ern. 

Unter dem Vor­wand der nationalen Sicher­heit wer­den offen­sichtliche Wege, die Frei­heit in der Forschung zu unter­graben, geöffnet und ein Präze­den­z­fall für die Unter­wan­derung grundle­gen­der Frei­heit­en geset­zt. Dieses fahrläs­sige Ver­hal­ten der Staat­sregierung lehnen wir kat­e­gorisch ab. 

Zudem wirft das Gesetz jedoch ver­fas­sungsrechtliche und ethis­che Bedenken auf. Unter der sehr vagen Bedin­gung der „Rel­e­vanz für die nationale Sicher­heit“ ermöglicht es dem StMWK, den Uni­ver­sitäten eine Zusam­me­nar­beit mit der Bun­deswehr vorzuschreiben. Die „Rel­e­vanz für die nationale Sicher­heit“ wird nicht hin­re­ichend definiert, wed­er im Geset­zes­text noch in deren Begrün­dung. Diese Bedenken wer­den zudem durch die Stel­lung­nahme des Uni­ver­sität Bay­ern e.V. zum Geset­zen­twurf bestärkt, der sich wie fol­gt dazu äußert: 

„Art. 6 Abs. 8 Satz 2 ist je nach Lesart ver­fas­sungsrechtlich prob­lema­tisch, da aus dem vorgeschla­ge­nen Wort­laut der geset­zlichen Regelung nicht hin­re­ichend klar und bes­timmt her­vorge­ht, welche Def­i­n­i­tion von nationaler Sicher­heit angenom­men wird und welche Koop­er­a­tions­maß­nah­men nach pos­i­tiv­er Prü­fung verpflich­t­end zu erfol­gen haben. Es wird weit­er­hin nicht deut­lich, ob die Koop­er­a­tionspflicht die Insti­tu­tion bet­rifft oder gar einzelne beson­ders wis­senschaftlich qual­i­fizierte Fachkräfte, wie es der Begrün­dung zu ent­nehmen ist. 

[…] 

Satz 2 wird wed­er juris­tisch noch prak­tisch als zielführend erachtet, um die Inten­tion des Geset­zes zu erre­ichen.“ [2] 

Wir als Bay­erisch­er Lan­desstudieren­den­rat fol­gen dieser Argu­men­ta­tion vol­lum­fänglich. 

Heute ist es wichtiger denn je, dass Hochschulen die Möglichkeit haben, frei und unvor­ein­genom­men zu forschen und zu lehren. Der Staat räumt den Hochschulen daher das Recht zur Selb­stver­wal­tung ein und überträgt ihnen zugle­ich die Ver­ant­wor­tung, die ver­fas­sungs­gemäßen Grun­drechte ihrer Mit­glieder zu schützen. Auch in der aktuellen Zeit darf zivile Forschung nicht von mil­itärisch­er Forschung ver­drängt wer­den. Wir beobacht­en allerd­ings mit großer Sorge, wie aktuell wichtige und große Auf­gaben des 21. Jahrhun­derts zugun­sten kurzfristiger Reak­tio­nen in den Hin­ter­grund rück­en. 

Wir hal­ten die Frei­heit von Hochschulen, sich selb­st ethis­che Leit­bilder zu geben für ganz zen­tral, wo sich diese so einem ver­ant­wor­tungsvollen Bewusst­sein und sich der Förderung eines friedlichen Zusam­men­lebens verpflicht­en kön­nen. 

Wir hal­ten das Koop­er­a­tions­ge­bot zur mil­itärischen Forschung aber auch für einen erhe­blichen Ein­schnitt in die Gewis­sens­frei­heit von Forschen­den. Die insti­tu­tionell ver­ankerte Koop­er­a­tionsverpflich­tung ist auf­grund der Abhängigkeitsstruk­turen in den Hochschulen ein erhe­blich­er und fak­tis­ch­er Druck auf Indi­viduen, der mit der Gewis­sens­frei­heit nur schw­er zu vere­in­baren ist. Dies muss in entsprechen­den Abwä­gun­gen in der prak­tis­chen Imple­men­tierung berück­sichtigt wer­den, denn diese soll­ten die tat­säch­liche Frei­heit haben, zu entschei­den, nur ziv­il zu forschen. Für viele Studierende und Forschende ist es nicht mit dem Gewis­sen vere­in­bar, dass ihre Forschung poten­ziell zur Schädi­gung von Men­schen­leben beiträgt. 

Gle­ich­wenn die Zweck­ent­frem­dung von Arbeit­en zivilen Ursprungs zu mil­itärischen Zweck­en bei jed­er Veröf­fentlichung ein Risiko ist, hal­ten wir es nicht für richtig, einen solchen Ein­griff durch Zwang durchzuset­zen. Wir erwarten von unserem Staat, dass er angesichts welt­poli­tis­ch­er Strö­mungen die Werte der frei­heitlichen Demokratie vertei­digt und so den Willen sein­er Forschen­den berück­sichtigt und diesen nicht in der­art offen­er Weise mis­sachtet. 

Zudem fol­gen wir im Hin­blick der Zivilk­lausel der Argu­men­ta­tion der Stel­lung­nahme der GEW Lan­desver­band Bay­ern zum Geset­zen­twurf, in der darauf ver­wiesen wird, dass 

„[…] Län­der wie Bre­men und Thürin­gen im Gegen­teil soge­nan­nte ‚Zivilk­lauseln‘ in ihre Hochschulge­set­ze aufgenom­men [haben], die in Hin­blick auf das Wohl und die Würde des Men­schen die wis­senschaftlichen Ein­rich­tun­gen zu ein­er auss­chließlich zivilen, d. h. friedlichen Aus­rich­tung von Forschung und Lehre anhal­ten. 

Die restlichen Län­der machen den wis­senschaftlichen Ein­rich­tun­gen keine Vor­gaben, wom­it sie ihnen ihr ver­fas­sungsrechtlich garantiertes Recht auf Wis­senschafts­frei­heit (Art. 5 GG) zugeste­hen.“ [1] 

Hochschulen sind zen­trale Orte des freien Denkens, der Inno­va­tion und der inter­na­tionalen Zusam­me­nar­beit. Ihre Unab­hängigkeit ist entschei­dend für die Entwick­lung nach­haltiger, friedlich­er Lösun­gen für glob­ale Her­aus­forderun­gen. 

In Zeit­en glob­aler Unsicher­heit müssen Hochschulen ihre Rolle als unab­hängige, ethis­che Akteure bewahren. His­torisch gese­hen tru­gen sie nach Kon­flik­ten wesentlich zum gesellschaftlichen Wieder­auf­bau bei, indem sie Wis­sen für friedliche und nach­haltige Entwick­lun­gen bere­it­stellen. 

Die Autonomie der Hochschulen sollte respek­tiert wer­den, damit sie ihren Beitrag zur Vertei­di­gung und zur Förderung des Friedens leis­ten kön­nen, ohne ihre ethis­chen Werte zu kom­pro­mit­tieren. 

Lit­er­aturverze­ich­nis 

[1] Gew­erkschaft Erziehung und Wis­senschaft Bay­ern, “Anhörung zum Geset­ze­sen­twurf zur Förderung der Bun­deswehr in Bay­ern — Stel­lung­nahme der GEW Bay­ern,” Mar. 15, 2024. Accessed: Jul. 21, 2024. [Online]. Avail­able: https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP19/Gesetzesmaterial/0000001484/0000000020.pdf 

[2] Uni­ver­sität Bay­ern e. V., “Stel­lung­nahme zum Entwurf des Geset­zes zur Förderung der Bun­deswehr in Bay­ern.” Accessed: Jul. 21, 2024. [Online]. Avail­able: https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP19/Gesetzesmaterial/0000001484/0000000018.pdf 

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