In Zeiten des fortschreitenden Lehrkräftemangels erscheint es notwendig, das Lehramtsstudium in Bayern grundlegend zu modernisieren, stärker an internationale Standards anzupassen und somit die Attraktivität für Studienanfänger, Studierende, Universitäten und Schulen hochzuhalten und sogar noch weiter zu erhöhen.
Das bisherige Modell des Staatsexamens, welches in Bayern traditionell die erste Phase der Lehrkräftebildung abschließt, hat sich zwar fest eingebürgert und bietet sicherlich unter bestimmten Voraussetzungen Vorteile bezüglich Qualitätssicherungsaspekten, jedoch bedarf es einer Erweiterung, die den Anforderungen des europäischen und internationalen Bildungs- und Arbeitsmarkts gerecht wird. Eine strukturelle Öffnung hin zu parallelen, international anerkannten Studienabschlüssen – insbesondere in Form eines Bachelor- und Masterabschlusses – ist ein notwendiger Schritt, um sowohl die Attraktivität des Lehramtsstudiums zu erhöhen als auch den Absolventinnen und Absolventen erweiterte berufliche Möglichkeiten zu eröffnen und dadurch die Zahl der Studienanfänger und Absolventen deutlich zu steigern.
Ausgangslage & Problemumriss: Bayern im Kontext anderer Bundesländer und bayerische Standorte im Vergleich
Die erste Phase der bayerischen Lehramtsausbildung schließt traditionell mit dem ersten Staatsexamen ab, welches vor allem als beamtenrechtliche Qualifikationsprüfung für den Eintritt in die Beamtenlaufbahn zu verstehen ist.
Bayern ist zusammen mit Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Sachsen eines der letzten fünf Bundesländer, die noch an der ersten Staatsexamensprüfung zusätzlich zum deutlich aussagekräftigeren zweiten Staatsexamen am Ende des Referendariats festhalten.
Derzeit ist für grundständig Lehramtsstudierende das Lehramtsstudium mit abgeschlossenem erstem Staatsexamen und abgelegtem Vorbereitungsdienst (Referendariat) der einzige Weg in den Beruf einer Lehrkraft.
Bestehende Sondermaßnahmen des StMUK zum Quer- und Seiteneinstieg in das Lehramt kritisieren wir aus diversen Gründen stark. Zwar sind positive Intentionen – wie etwa das kurzfristige Schließen von Lücken in der Unterrichtsversorgung – nicht von der Hand zu weisen, dennoch kann eine Verstetigung eigentlich zeitlich begrenzter Maßnahmen beobachtet werden. Dies führt einerseits zu einer Deprofessionalisierung des Berufsbildes Lehramt, da unter anderem Personen mit einem ausschließlich fachwissenschaftlichen Masterabschluss ohne jegliche pädagogisch-didaktische Vorbildung direkt und ohne Lehramtsstudium in das Referendariat starten können. In besonderen Mangelfächern wie Biologie oder Informatik am Gymnasium wird sogar auf die fachliche Vorbildung im zweiten Unterrichtsfach (hier: Chemie bzw. Mathematik) weitgehend verzichtet und lediglich die Eignung des Masterabschlusses für das besondere Mangelfach überprüft, während regulär ausgebildete Lehramtsstudierende im entsprechenden Fach mindestens 70 fachwissenschaftliche Creditpunkte erbringen müssen.
Wie viele Personen über die Sondermaßnahmen im Quer- und Seiteneinstieg in Bayern akquiriert wurden, lässt sich neben weiteren Informationen zum Quer- und Seiteneinstieg sowie zu Abbruchquoten in der Drucksache 19/552 vom 19.03.2024 des Bayerischen Landtags herauslesen [1].
Ebenfalls stößt es auf großes Unverständnis, dass trotz des regelmäßigen Verweises auf die Notwendigkeit des ersten Staatsexamens seitens des StMUKs (wir verweisen hierbei auf den Briefwechsel der Studierendenvertretung der TUM bezüglich der Einbeziehung des Master of Education als Master-Abschluss, der alle Voraussetzungen an Master-Abschlüsse für Sondermaßnahmen übererfüllt[1]) immer mehr Personen mit einem rein fachlichen Masterstudium der Weg ins Lehramt ermöglicht wird – aber eben nur dann, wenn es absurderweise kein „bayerischer lehramtsbezogener Master-Abschluss“ ist. In vereinzelten bayerischen Modellstudiengängen, wie sie beispielsweise an der TUM vorzufinden sind, kann zusätzlich zum regulären Abschluss des Studiums mit erstem Staatsexamen nur durch das zusätzliche Verfassen einer Masterarbeit ein Master of Education über ein grundständiges Lehramtsstudium erlangt werden – nur wird dieser, im Gegensatz zu einem Master of Education, der außerhalb Bayerns erlangt wurde, nicht als Zulassungsvoraussetzung für das Referendariat über die aktuellen Sondermaßnahmen angesehen.
Somit wäre es beispielsweise möglich, ein lehramtsbezogenes Masterstudium in Bayern zu absolvieren, es in einem anderen Bundesland aufgrund der inhaltlichen Gleichwertigkeit mit einer Masterarbeit abzuschließen, mit dem dort erlangten Master of Education wieder nach Bayern zu kommen und über eine Sondermaßnahme, ohne erstes Staatsexamen, in das Referendariat zu starten.
Eine Analyse der Abschlüsse an der TUM im gymnasialen Lehramt der letzten fünf Jahre ergab, dass das Abschließen des Lehramtsstudiums mit dem ersten Staatsexamen für Studierende unattraktiv zu sein scheint und andere Wege gewählt wurden. Insgesamt über 20 % derjenigen, die die Zulassungsvoraussetzungen hierzu erfüllt hatten, traten das erste Staatsexamen nicht an. Besonders stechen die Mangelkombinationen Biologie-Chemie (> 25 %) und Mathematik-Physik (> 35 %) hervor. All diese Personen sind sehr gut für den Schuldienst geeignet und verschärfen durch ihr vermeidbares Abgehen den ohnehin schon großen Lehrkräftemangel weiter.
Forderungen
- Wir fordern deshalb die bayerischen Universitäten dazu auf, in allen grundständigen Lehramtsstudiengängen für allgemeinbildende Schulen Möglichkeiten zu schaffen, parallel zum Lehramtsstudium einen Bachelor- sowie einen Masterabschluss erreichen zu können. Dies würde den oben genannten Problemen entgegenwirken und durch weitere positive Effekte für Studierende und Universitäten die Attraktivität von Lehramtsstudiengängen erhöhen:
- Studierende des Lehramts werden durch einen international anerkannten Abschluss in einem vollwertig akkreditierten Studiengang für den Arbeitsmarkt attraktiver. Mit einem zusätzlichen Bachelor- und Masterabschluss eröffnen sich den Lehramtsstudierenden auch außerhalb des Schulsystems vielfältige Karrieremöglichkeiten, beispielsweise in der Bildungsforschung, der Erwachsenenbildung, im Kulturmanagement oder in der freien Wirtschaft. Dies schafft zusätzliche Anreize, sich für ein Lehramtsstudium zu entscheiden, und erhöht somit die Zahl der Abschlüsse. Dies erhöht also die Flexibilität des Studiengangs, der nicht mehr ausschließlich auf einen einzigen Beruf hinarbeitet.
- Erhöhung der Attraktivität für Universitäten und Forschung, da Lehramtsstudierende angeregt werden, wissenschaftliche, pädagogisch-didaktische Masterarbeiten zu schreiben und dadurch die Forschung in diesem Bereich massiv vorantreiben können, ohne hierbei nennenswerte Zusatzkosten zu verursachen.
- Verstärkung der Motivation der Studierenden, bei zwischenzeitlichen Schwierigkeiten im Lehramtsstudium nicht aus Angst vor zweifachem Nichtbestehen des ersten Staatsexamens in andere Studiengänge zu wechseln und somit der Gefahr von vielen Jahren Studium ohne Abschluss zu entgehen.
- Erhöhung der Attraktivität für Studienanfänger, da die Studienwahl keine unausweichliche Lebensentscheidung für den Lehrerberuf mehr darstellt, sondern vielfältige Möglichkeiten bietet, in fachlichen und bildungsnahen Berufen Fuß zu fassen und einen späteren Wechsel in verwandte (Master-)Studiengänge ermöglicht – insbesondere, wenn im Verlauf des Studiums auffällt, dass eine Person nicht für den Lehrerberuf geeignet ist, ist sie dadurch nicht gezwungen, diesen dennoch zu ergreifen. Insbesondere in Zeiten des Lehrermangels und sinkender Einschreibezahlen ist es notwendig, Anreize zu schaffen, um mehr Studierende für diesen Beruf zu gewinnen.
- Größere Attraktivität für Fachwechsler, da der Einstieg mit Vorleistungen in einen Lehramtsmaster wesentlich attraktiver ist, als den Staatsexamensstudiengang von Grund auf studieren zu müssen.
Eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts zeigt auf, dass lediglich 66 % der Lehramtsstudierenden nach einem erfolgreich abgeschlossenen Lehramtsstudium das Referendariat antreten [2]. Somit wäre es für den nicht unerheblichen Anteil von über einem Drittel der Lehramtsstudierenden von Wichtigkeit, einen akademischen Abschluss abseits eines Staatsexamens vorweisen zu können, wenn Sie sich nach fünf Jahren des Studiums um etwaige Alternativen bemühen.
- Wir fordern außerdem mittelfristig, vollwertige lehramtsbezogene Bachelor- und Masterstudiengänge als regulären Weg für Lehrkräfte in Bayern einzuführen. Bachelor- und Masterstudiengänge werden in aufwendigen Verfahren in regelmäßigen Abständen nach strengen Qualitäts- und Inhaltsvorgaben akkreditiert, wodurch stets ein hoher Ausbildungsstandard gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass bereits jetzt die bestehenden Master of Education (wie z. B. an der TUM) die inhaltlichen Vorgaben der LPO übererfüllen, welche engmaschig, viel zielgerichteter und auf höherem fachlichem Niveau in den einzelnen Modulprüfungen abgefragt werden. Zur abschließenden Kontrolle der Kompetenzen von angehenden Lehrkräften vor der Verbeamtung auf Lebenszeit steht zusätzlich noch das zweite Staatsexamen zur Verfügung, in dem die Lehrkompetenz wesentlich intensiver geprüft wird, als es im ersten Staatsexamen überhaupt möglich ist. Dieses Vorgehen wird im beruflichen Lehramt bereits seit vielen Jahren sehr erfolgreich angewendet. Zudem stehen wir als Studierende nicht allein mit dieser Forderung. Die bayerischen Universitäten, vertreten durch Universität-Bayern e. V., veröffentlichen bereits im Jahre 2017 ein Positionspapier, in welchem Sie sich für eine Umsetzung des Bachelor-/Mastersystems im Lehramt aussprechen [3]. Auch der BLLV kämpft bereits seit langer Zeit mit dem „flexiblen Lehrer:innenbildungsmodell“ und der „Stexit“-Bewegung für sehr ähnliche Ziele, die wir – zumindest die hier genannten Themen betreffend – unterstützen.
- Zudem fordern wir kurzfristig innerhalb von Sondermaßnahmen eine Gleichstellung von bayerischen, lehramtsbezogenen Masterabschlüssen (Master of Education) mit solchen aus anderen Bundesländern beziehungsweise mit fachwissenschaftlichen Masterabschlüssen, da die erstgenannten fraglos besser auf den Schuldienst vorbereiten als fachwissenschaftliche oder außerbayerische Abschlüsse es jemals könnten und dennoch zusätzliches Lehrpersonal akquirieren (siehe Absatz zu TUM-Absolventenzahlen).
Umsetzung der Reform
Die Reform zur Ermöglichung eines Bachelor- und Mastertitels sollte aus mehreren „Perspektiven“ erfolgen:
- Curriculare Anpassung: Die Studienpläne für Lehramtsstudierende müssen so gestaltet werden, dass ein paralleles Studium zum Staatsexamen und zu (lehramtsbezogenen) Bachelor- bzw. Masterabschlüssen möglich wird. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit der Fakultäten an den Hochschulen, um sicherzustellen, dass sowohl die Anforderungen des Staatsexamens als auch die der Bachelor- und Masterabschlüsse erfüllt werden können.
- Anerkennung von Studienleistungen: Es muss gewährleistet werden, dass bereits im Rahmen des Lehramtsstudiums erbrachte Leistungen für die zusätzlichen Bachelor- und Masterabschlüsse anerkannt werden. Dies kann durch die Modularisierung der Studieninhalte erreicht werden, sodass Studierende keine doppelten Prüfungen ablegen müssen. Wichtig ist an dieser Stelle auch zu erwähnen, dass wir uns bewusst sind, dass innerhalb eines siebensemestrigen Studiums keine Möglichkeit besteht, einen Mastertitel zu erlangen. Zum einen positioniert sich der BayStuRa prinzipiell für eine längst nötige Angleichung der Regelstudienzeit des Grund‑, Mittel- und Realschullehramts an das Gymnasiallehramt, wenn nicht sogar darüber hinaus.
- Zum Anderen ist uns bewusst, dass ein derartiger Prozess eine lange Zeit und viele juristische Unwägbarkeiten in Anspruch nimmt. Deswegen fordern wir als kurzfristige Maßnahme, entsprechende Aufbaustudiengänge für siebensemestrige Lehramtsstudiengänge einzurichten, um eine möglichst schnelle und unkomplizierte Erreichung des Masters zu ermöglichen. Diese Module könnten beispielsweise in Bereichen wie Bildungsforschung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, interkulturelle Bildung oder Digitalisierungsstrategien im Bildungswesen angeboten werden. Finanzielle Förderung und Beratung: Um den Studierenden den zusätzlichen Aufwand durch das parallele Studium zu erleichtern bzw. diesen grundsätzlich zu minimieren, sollten Ressourcen wie Beratungsangebote zur Verfügung gestellt werden, die helfen, das Studium effizient und erfolgreich zu organisieren.
Fazit
Auch wenn der Bayerische Landesstudierendenrat die (zunächst parallele) Einführung eines Bachelor- und Masterstudiengangs fordert, entbehrt dies aus unserer Sicht nicht die dringende Reform des Staatsexamens an sich, welches zahlreiche eklatante Mängel aufweist und in keinster Weise mehr zeitgemäß erscheint. Hierzu verweisen wir auf den vorangegangenen Beschluss und unser Positionspapier.
Nichtsdestotrotz sehen wir die Einführung der Möglichkeit zur Erreichung des Bachelor-/Mastertitels als großen und notwendigen Fortschritt, um die Flexibilität und die Attraktivität des Lehramtsstudiengangs zu erhöhen und um die Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Studiengängen und vor allem Bundesländern zu erhalten und somit die exzellente Lehreraus- und Schulbildung in Bayern zu sichern.
[1] Einsicht kann unter sekretariat@baystura.de angefragt werden
Literatur
[1] S. Strohmayr, „Studierende für das Lehramt, Abbruchquoten Referendare und Arbeitsverträge für Lehrkräfte“, Bayerischer Landtag, Schriftliche Anfrage 19/552, März 2024. Zugegriffen: 27. Oktober 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP19/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/19_0000552.pdf
[2] S. Franz, „Ein Jahr nach Lehramtsstudienabschluss: Wer beginnt nach dem Lehramtsstudium das Referendariat?“, LIfBi Berichte, Dez. 2023, doi: 10.5157/LIFBI:BERICHT:04:LAP:1.0.
[3] Universität Bayern e. V., „Weiterentwicklung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Bayern“, Feb. 2017. Zugegriffen: 27. Oktober 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.unibayern.de/assets/Uploads/positionen/Positionspapier-Universitaere-Lehrerbildung-nach-VP-Lehre-am-27.02.17.pdf