Die Studiengänge der Rechtswissenschaften in Bayern bauen bis heute darauf auf, dass ein abschließendes Staatsexamen die Grundlage für den späteren Berufsweg eröffnet. Um dieses ablegen zu können, müssen Studierende zwar Teilleistungen erbracht haben, entscheidend ist aber weiterhin ausschließlich das abgelegte Staatsexamen am Ende des Studiums. Um dieses erfolgreich zu bestehen, müssen die Studierenden sowohl den universitären als auch den staatlichen Teil des Staatsexamens absolvieren. Der universitäre Teil, welcher im Schwerpunktbereich stattfindet und meist aus einer Seminar- bzw. Studienarbeit und einer mündlichen Prüfung besteht, geht schlussendlich nur zu dreißig Prozent in die Endnote der Staatsexamensnote ein. Der größere Teil besteht aus den staatlichen Prüfungen. In Bayern erfolgen dazu sechs schriftliche Klausuren, die in der Regel innerhalb von sechs Tagen stattfinden, und ebenfalls mündliche Prüfungen. Dieser Teil geht mit siebzig Prozent in die Endnote ein und ist damit der weitaus entscheidendere Teil des Staatsexamens.
Diese Gestaltung des Jurastudiums setzt die Studierenden einem enormen Druck aus. Studierende, die das Staatsexamen endgültig nicht bestehen stehen nach einem intensiven und langen Studium (fünf Jahre bei Einhaltung der Regelstudienzeit) ohne Abschluss da. Die während des Studiums erbrachten Leistungen werden nicht honoriert und sind für Studierende somit bei Nichtbestehen wertlos.
Im Ergebnis entscheiden demnach nur wenige Tage über das gesamte Studium. Dies führt zu einer hohen psychischen Belastung [1]. Zudem hält das Risiko bei einem Studium mit 10 Semestern Regelstudienzeit bei Nichtbestehen mit nichts dazustehen von einem Jurastudium ab. Gerade für finanziell Schwächere, zu denen oft die „first generation academics“ gehören, ist dieses Risiko nicht tragbar. Hinzu kommt, dass sich viele Studierende aus Angst vor dem Nichtbestehen dazu gezwungen sehen, den Stoff für das Staatsexamen bei einem wprivaten Unternehmen zu wiederholen, was eine erhebliche finanzielle Belastung mit sich bringt (meist zwischen 150 und 200€ monatlich) [2]. Der aktuelle Aufbau des Studiums der Rechtswissenschaft steht demnach auch einer Chancengleichheit entgegen, weshalb wir eine staatlich finanzierte, qualitativ hochwertige Examensvorbereitung fordern.
Um den Problemen entgegenzuwirken, ist die Modularisierung der Inhalte und daraus abgeleitet ein entsprechender Bachelorstudiengang eine mögliche Lösung. Insbesondere die Möglichkeit, einen Bachelor bereits vor dem Staatsexamen zu erhalten, würde den Druck reduzieren und ist somit wünschenswert. Ein solcher Bachelor muss durch zahlreiche Modulprüfungen erbracht werden, deren Inhalte und Aufgabenstellungen deckungsgleich mit den entsprechenden Scheinen des Studiums der Rechtswissenschaften sind, welche die Vorgaben der JAPO (Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen [sic!]) erfüllen. Diese Module, gleichermaßen wie die zugehörigen Lehrveranstaltungen, müssen im Rahmen des entsprechenden Bachelors akkreditiert werden. Durch den Bachelor muss ein Berufsziel erreicht werden, damit eine Akkreditierung möglich wird.
Eine Akkreditierung ist essenziell, damit der Bachelorstudiengang im Inland wie im Ausland anerkannt wird und als Grundlage für ein Masterstudium dienen kann. Diese kann entweder im Rahmen der Systemakkreditierung von Universitäten erfolgen oder bei solchen, die diese Form der Akkreditierung nicht vorweisen, über eine entsprechende Programmakkreditierung. Für die jeweiligen Akkreditierungen muss ein umfängliches Qualitätsmanagement umgesetzt werden, ebenso wie ein klares Berufsbild ersichtlich werden muss. Bei der Konzeption des LL.B.-Studiengangs werden Arbeitgeberverbände, Kanzleien sowie weitere relevante Akteure frühzeitig eingebunden, um die spätere Anerkennung am Arbeitsmarkt zu stärken. Weitere Kriterien wie Mobilität für ein Auslandssemester, Wahlbereiche und Sicherstellung der Studierbarkeit sind zweifelsohne ebenfalls zu erfüllen. Langfristig ist zudem die Einrichtung von Doppelabschlussprogrammen mit ausländischen Partneruniversitäten anzustreben, um internationale Anschlussfähigkeit und Mobilität weiter zu erhöhen. Zur Erfüllung müssen sich Universitätsverantwortliche mit Lehrenden und Studierenden beraten und auf die Hochschulen zugeschnittene Lösungen mit entsprechenden Schwerpunkten erarbeiten. Die zuständigen Ministerien sind in der Verantwortung, bei Rechtsfragen unterstützend zu beraten und Vernetzung zu ermöglichen.
Der Bachelor of Laws (LL.B.) soll keinen Ersatz für die durch das Staatsexamen gegebene Berufsqualifikation bilden. Mit Erhalt des Bachelorgrades sollen die Studierenden nicht für klassische juristische Berufe qualifiziert werden. Dies muss in der Kommunikation und Bewerbung der Studiengänge explizit betont werden. Vielmehr soll der LL.B. auf Berufe in der freien Wirtschaft-/ Sozialwirtschaft vorbereiten und entsprechende Qualifikationen ermöglichen. Ein frühzeitig erreichbarer Bachelorabschluss reduziert zudem das Risiko für Studierende, da sie bereits vor Ablegen des Staatsexamens über einen anerkannten Abschluss verfügen und so im Falle eines nicht abgelegten Staatsexamens nicht vollständig ohne Qualifikation dastehen.
Primär geht es der Studierendenschaft um ein nachhaltiges Konzept, welches die Umsetzung effektiv und erfolgversprechend gestaltet. Das Ziel soll dabei immer ein qualitativ hochwertiger Abschluss sein, der den Studierenden Berufs- und Weiterbildungschancen eröffnet. Wichtig ist an dieser Stelle der Ausbau konsekutiver Masterprogramme bzw. die Aufnahme der entsprechenden Bachelorabschlüsse in die Zulassungskriterien geeigneter Masterprogramme.
Verweise
[1] Bei einer bundesweiten Befragung aus dem Jahr 2016 stuften 94,4% den Prüfungsdruck auf einer Skala von eins bis zehn mit acht oder höher ein, vgl. BRF/Brinkmann, Borchers, Drosten u.a., Absolventenbefragung 2018, S. 27; vgl. auch die Ergebnisse des Regensburger Forschungsprojekts zur Examensbelastung bei Jurastudierenden: https://www.uni-regensburg.de/assets/humanwissenschaften/psychologie-kudielka/JurSTRESS_Abschlussbericht.pdf.
[2] Vgl. z.B. juristisches Repetitorium Hemmer, https://www.repetitorium-hemmer.de/kurse.php (zuletzt aufgerufen: 13.12.24); Alpmann Schmidt, https://www.as-bayern.de/1‑examen/regensburg/examenskurse/hauptkurs (zuletzt aufgerufen: 13.12.24).