Der Bayerische Landesstudierendenrat (BayStuRa) positioniert sich entschieden gegen die ermöglichte Einführung von Studiengebühren für bestimmte Studierendengruppen aus dem Nicht-EU-Ausland[1]und fordert die Abschaffung dieser an Hochschulen, an denen Studiengebühren bereits eingeführt wurden. Der Freistaat Bayern ermöglicht Studiengebühren für diese Studierendengruppen seit dem Inkrafttreten des bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes am 1. Januar 2023.
Die Erhebung von Studiengebühren mag kurzfristig als eine Lösung der mangelnden Finanzierung der Hochschulen erscheinen, doch sie stellt keinen nachhaltigen oder gerechten Ansatz dar. Das strukturelle Problem der Unterfinanzierung zu lösen, sollte nicht die Aufgabe weniger – und zudem für gewöhnlich finanziell schwacher [1] – Studierender sein. Unserer Einschätzung nach stellt eine Aufstockung der Haushaltsmittel durch Studiengebühren keine tragfähige Option dar. Die Einnahmen aus Studiengebühren unterliegen zudem einem enormen Risiko. Die aktuellen Weltgeschehnisse zeigen, wie weitreichend und schnell die weltweite Mobilität eingeschränkt werden kann. Wenn durch internationale Entwicklungen kurzfristig hohe Beträge wegfallen können, dürfen auf diesen keine Kernaufgaben der Universität wie etwa Lehre fußen. Die hohen Kosten der Lehre sollten von der breiten Gesellschaft getragen werden, da diese maßgeblich von der Bildung profitiert.
In einer Zeit des Fachkräftemangels ist es vorrangig wichtig, das Studium für motivierte, kompetente und talentierte Menschen, gerade auch aus dem Ausland, zu ermöglichen. Das Herkunftsland oder die persönlichen monetären Privilegien spielen bei der Frage nach Kompetenz und Fähigkeiten keine Rolle und sollten daher keine Basis für Selektion darstellen. Studiengebühren stellen eine weitere Hürde dar, die es vielen Menschen verwehrt, die fachliche Bildung in Deutschland zu erfahren. [2, 3] Vor allem das wirtschaftliche Interesse, dass ebendiese kompetenten Fachkräfte nach ihrem Studium in Bayern bzw. Deutschland bleiben und zur deutschen Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft beitragen, ist wichtig. Perspektiven anderer Kulturen auf alle Wissenschaften sind eine große Bereicherung für eine umfassende Bildung und bieten eine Grundlage für Innovation und Fortschritt [4].
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wäre es von maßgeblicher Bedeutung, den Studienerfolg internationaler Studierender zu erhöhen und die Abbrecher*innenquoten zu senken. Erhöhte Belastungen für Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland stellen ein Risiko für den Studienerfolg dar und sind somit mit dem Ziel, Gleichberechtigung zu erreichen, nicht zu vereinbaren, wie auch der DAAD feststellt. [5] Deutschland ist ein Land, in dem Studierende, unabhängig von ihrer Herkunft und finanziellen Möglichkeiten, im Einklang mit unseren europäischen Grundwerten und ‑rechten, gleichen Zugang zu einer bezahlbaren, hochwertigen Bildung haben sollen [6]. In diesem Sinne sollen Hürden für kompetente Studieninteressierte nicht erhöht, sondern abgebaut werden. Eine Erhebung von Studiengebühren aufgrund der Staatsbürgerschaft wäre bzw. ist eine Praktik, die strukturelle Diskriminierung begünstigt, weil sie die Benachteiligung ausländischer Studierender normalisiert.
Bayern ist ein Ort der Diversität, des Fortschritts und der Perspektivenvielfalt. Perspektiven anderer Kulturen auf alle Wissenschaften sind eine große Bereicherung für eine umfassende Bildung und bieten Grundlagen für Innovation und Fortschritt. Diese Vielfalt würde durch die Einführung von Studiengebühren für Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland auf finanziell besonders gut gestellte Personen reduziert werden.
Dabei stellt die Förderung von Vielfältigkeit, einem gemeinsamen Demokratieverständnis ebenso wie einem Abbau von Vorurteilen zunächst bereits als solche einen wertvollen Bestandteil in der Ausbildung an Universitäten dar und erhöht die Kompetenzen aller Studierenden. Das internationale Zusammenkommen fördert das kulturelle Bewusstsein an Universitäten ebenso wie zwischenmenschliche Kommunikation und kulturelle Anpassungsfähigkeit. Die Vernetzung an Universitäten stärkt Deutschland international durch die vielfältigen Kontakte, die in aller Welt geknüpft werden. Die intensive Auseinandersetzung miteinander im Rahmen des Studiums forciert Innovationen, den sozialen Zusammenhalt und den internationalen Austausch. [7, 8] Es gilt darüber hinaus, dass ein erheblicher Teil der Studierenden nicht abwandert, sondern bewusst nach Deutschland kommt, um am wirtschaftlich starken Standort zu bleiben. Deutschland gewinnt durch internationale Studierende also nicht nur im Rahmen des Studiums selbst einen großen Vorteil, sondern auch im Nachklang durch die erfolgreiche Beschäftigung zahlreicher Fachkräfte. [9,10]
Die Einführung von Studiengebühren könnte zu einem Abwanderungseffekt führen. Die Entscheidung für einen Studienort wird maßgeblich von finanziellen Überlegungen beeinflusst. Bayerns Wettbewerbsfähigkeit als internationaler Bildungsstandort hängt davon ab, als attraktiv wahrgenommen zu werden. Ebenso betroffen sind Unternehmen der freien Wirtschaft in Zeiten des massiven Fachkräftemangels. Im nationalen Vergleich hat Bayern bereits die höchsten Lebenshaltungskosten innerhalb Deutschlands. Insbesondere internationale Studierende sind in hohem Maße von finanziellen Überlegungen bei der Wahl ihres Studienorts abhängig. Eine zusätzliche Erhebung von Studiengebühren würde der Attraktivität Bayerns als Studienstandort innerhalb Deutschlands daher immens schaden. [11]
Wir möchten die besten Fachkräfte Deutschlands an unseren Hochschulen haben. Die Einführung von Studiengebühren durch bayerische Hochschulen für bestimmte Studierendengruppen aus dem Nicht-EU-Ausland, den Nicht-EWR-Staaten und Staaten, die keine gesonderten Verträge mit bayerischen Hochschulen besitzen, ständen einer perspektivischen, wirtschaftlich erfolgreichen und sozial wertvollen Hochschulgemeinschaft und damit einer Lösung des Fachkräftemangels im Wege.
Zudem fordern wir den Freistaat Bayern dazu auf, einen Plan zur tatsächlich dem Wissenschaftsstandort Bayern angemessenen Finanzierung zu entwickeln und damit eine Perspektive zur Abschaffung der Studiengebühren zu schaffen.
Quellen
[1] “37,9 % der Studierenden in Deutschland waren 2021 armutsgefährdet,” Statistisches Bundesamt. Accessed: Apr. 21, 2024. [Online]. Available: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/11/PD22_N066_63.html
[2] H. Michael, “Chancengleichheit trotz Studiengebühren: die USA als Vorbild?,” bpb.de. Accessed: Apr. 21, 2024. [Online]. Available: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/29382/chancengleichheit-trotz-studiengebuehren-die-usa-als-vorbild/
[3] M. Hübner, “Do tuition fees affect enrollment behavior? Evidence from a ‘natural experiment’ in Germany,” Economics of Education Review, vol. 31, no. 6, pp. 949–960, Dec. 2012, doi: 10.1016/j.econedurev.2012.06.006.
[4] I. J. Hoever, N. E. Betancourt, G. Chen, and J. Zhou, “How others light the creative spark: Low power accentuates the benefits of diversity for individual inspiration and creativity,” Organizational Behavior and Human Decision Processes, vol. 176, p. 104248, May 2023, doi: 10.1016/j.obhdp.2023.104248.
[5] Deutscher Akademischer Austauschdienst, “Internationale Studierende als Fachkräfte von morgen.” Deutscher Akademischer Austauschdienst, März 2023. [Online]. Available: https://static.daad.de/media/daad_de/pdfs_nicht_barrierefrei/der-daad/daad_2023_perspektive_fachkraefte.pdf
[6] “Artikel 14 — Recht auf Bildung,” European Union Agency for Fundamental Rights. Accessed: Apr. 21, 2024. [Online]. Available: http://fra.europa.eu/de/eu-charter/article/14-recht-auf-bildung
[7] “The Benefits of International Students for Universities,” INOMICS. Accessed: Apr. 21, 2024. [Online]. Available: https://inomics.com/blog/the-benefits-of-international-students-for-universities-282052
[8] M. Krislov, “Why International Students Are Good For Colleges, Universities And America,” Forbes. Accessed: Apr. 21, 2024. [Online]. Available: https://www.forbes.com/sites/marvinkrislov/2019/03/22/why-international-students-are-good-for-colleges-universities-and-america/
[9] T. Liebig and H. Ewald, “Deutschland im internationalen Wettbewerb um Talente: Eine durchwachsene Bilanz.” Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, März 2023.
[10] OECD, International Migration Outlook 2022. Paris: Organisation for Economic Co-operation and Development, 2022. Accessed: Apr. 21, 2024. [Online]. Available: https://www.oecd-ilibrary.org/social-issues-migration-health/international-migration-outlook-2022_30fe16d2-en
[11] “Lebenshaltungskosten in Deutschland,” Study in Germany. [Online]. Available: https://www.studying-in-germany.org/de/lebenshaltungskosten-in-deutschland/
[1] Nicht-EU-Ausland, Nicht-EWR-Staaten und Staaten, die keine gesonderten Verträge mit bayerischen Hochschulen besitzen (siehe Art. 13, Abs. 3, S. 2 BayHIG).