Positionierung zur Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

BESCHLUSS

Eine starke und attrak­tive Wis­senschaft ist das Rück­grat für die Zukun­fts­fähigkeit Deutsch­lands. Sie treibt Inno­va­tio­nen voran, sichert tech­nol­o­gis­chen Vor­sprung und ermöglicht gesellschaftlichen Fortschritt. Gle­ichzeit­ig lei­det die insti­tu­tion­al­isierte Wis­senschaft unter großen struk­turellen Prob­le­men. Ini­tia­tiv­en wie „Ich­Bin­Han­na“ haben ein­drück­lich gezeigt, unter welch prekären Arbeits­be­din­gun­gen der wis­senschaftliche Mit­tel­bau lei­det. Ohne einen starken Mit­tel­bau und attrak­tive Kar­ri­eremöglichkeit­en lei­det nicht nur die Lehre an Hochschulen, son­dern auch die Zukun­fts­fähigkeit des Lan­des. Die geplante Reform des Wis­senschaft­szeitver­trags­ge­set­zes ist aus Sicht des Bay­erischen Lan­desstudieren­den­rats unzure­ichend, da sie keine sub­stanzielle Verbesserung bietet. Statt die Attrak­tiv­ität ein­er wis­senschaftlichen Kar­riere zu steigern, zemen­tiert sie die beste­hende Unsicher­heit und ver­schärft die Verzwei­flung viel­er junger Wissenschaftler*innen.

Die akademis­che Land­schaft in Deutsch­land ste­ht vor erhe­blichen Her­aus­forderun­gen. Trotz der hohen Bedeu­tung der Wis­senschaft für die gesellschaftliche und tech­nol­o­gis­che Entwick­lung sind die Arbeits­be­din­gun­gen im akademis­chen Mit­tel­bau häu­fig geprägt von Kurzzeitverträ­gen, unsicheren Per­spek­tiv­en und unzure­ichen­der Plan­barkeit. Diese prekären Ver­hält­nisse wirken sich nicht nur neg­a­tiv auf die per­sön­liche Leben­s­pla­nung der Wissenschaftler*innen aus, son­dern beein­trächti­gen auch die Qual­ität der Lehre und Forschung.

Eine Nov­el­le des Wis­senschaft­szeitver­trags­ge­set­zes sollte daher das Ziel ver­fol­gen, die Rah­menbe­din­gun­gen für Wissenschaftler*innen zu verbessern und nach­haltige Kar­ri­erewege zu schaf­fen. Doch die vorgeschla­ge­nen Änderun­gen gehen aus Sicht des Bay­erischen Lan­desstudieren­den­rats nicht weit genug. Die Erhöhung der Höch­st­be­fris­tungs­dauer für wis­senschaftliche Hil­f­skräfte von sechs auf acht Jahre und die Ein­führung ein­er Min­destver­tragslaufzeit von einem Jahr sind zu begrüßende Schritte, die weit­er hin­aus­ge­hen­den Ansätze greifen jedoch zu kurz, um die grundle­gen­den Prob­leme zu lösen.

Aktuell wird ein erhe­blich­er Teil der Lehre durch den wis­senschaftlichen Mit­tel­bau geleis­tet. Die Zukun­ft sehr guter und engagiert­er Lehren­den ist oft sehr lange in der Schwebe. Ohne die gesicherte Aus­sicht auf eine Pro­fes­sur und mit der kon­tinuier­lichen Befürch­tung, dass der aktuelle Arbeitsver­trag nicht ver­längert wird, wer­den viele auch außeror­dentlich gute Lehrende aus dem Wis­senschaftssys­tem ver­drängt. Eine Auf­gabe der Bun­deslän­der ist es daher, zur Gewährleis­tung hoher Qual­ität für dauer­hafte Auf­gaben in Lehre und Ver­wal­tung unbe­fris­tete Stellen zu schaf­fen. Dadurch steigt die Attrak­tiv­ität von Mit­tel­baustellen und kann zu ein­er besseren Qual­ität der Lehre beitra­gen.

Kri­tisch zu sehen ist die 4+2 Regelung, die vor­sieht, dass Post­docs max­i­mal vier Jahre befris­tet beschäftigt wer­den dür­fen. Diese ist nur um zwei Jahre ver­länger­bar, wenn es eine verbindliche Anschlusszusage bei Erre­ichen von vere­in­barten Zie­len gibt. Diese Regelung erhöht den Druck auf junge Wissenschaftler*innen, inner­halb kurz­er Zeit wis­senschaftliche Spitzen­leis­tun­gen zu erbrin­gen, während die Aus­sicht auf eine dauer­hafte Beschäf­ti­gung weit­er­hin ger­ing bleibt. Dies erschw­ert es beson­ders Men­schen mit vielfälti­gen Hin­ter­grün­den, in der Wis­senschaft Fuß zu fassen. Wissenschaftler*innen aus unter­repräsen­tierten Grup­pen ste­hen oft vor zusät­zlichen Her­aus­forderun­gen und benöti­gen mehr Zeit, um Net­zw­erke aufzubauen und sich zu etablieren. Die strik­te Befris­tung macht es schwieriger, diese Hür­den zu über­winden und reduziert so die Vielfalt an Per­spek­tiv­en und Erfahrun­gen, die in die wis­senschaftliche Forschung ein­fließen.

Gle­ichzeit­ig schädigt die Befris­tung auf üblicher­weise vier Jahre viele Forschungs­bere­iche und dürfte in vie­len Fällen dafür sor­gen, dass das wis­senschaftliche Per­son­al mehrheitlich schneller aus­ge­tauscht wird, was die Qual­itätssicherung der Lehre erschw­ert. Dies steigert nur die Kul­tur der Unsicher­heit und schreckt Studierende davon ab, eine Kar­riere in der Wis­senschaft zu begin­nen. Hier muss eine Nov­el­le mehr Ver­lässlichkeit, Plan­barkeit und Trans­parenz für die wis­senschaftlichen Mitar­bei­t­en­den schaf­fen.

Eine Maß­nahme, um eine wis­senschaftliche Kar­riere für studierende attrak­tiv­er zu machen, ist es, für Pro­movierende und Post­doc-Verträge eine ver­tragliche Min­dest­laufzeit entsprechend der Dauer ihrer Qual­i­fika­tion­sphase festzule­gen. Dies schafft per­sön­liche Sicher­heit und erlaubt es, gute Lehre konzen­tri­eren zu kön­nen sowie tat­säch­lich auch inno­v­a­tive Forschung durch­führen zu kön­nen.

Die Reform des Wis­senschaft­szeitver­trags­ge­set­zes muss grundle­gend über­ar­beit­et wer­den, um den Wis­senschafts­stan­dort Deutsch­land fit für die Her­aus­forderun­gen der Zukun­ft zu machen. Nur durch sub­stanzielle Verbesserun­gen, die für Pla­nungssicher­heit und langfristige attrak­tive Kar­ri­eremöglichkeit­en sorgt, kön­nen wir eine Wis­senschaft­s­land­schaft schaf­fen, die Inno­va­tion fördert und vielfältige Tal­ente anzieht. Eine attrak­tive und sta­bile akademis­che Kar­riere ist der Schlüs­sel, um zukun­ftsweisende Forschung und exzel­lente Lehre zu gewährleis­ten. Es ist an der Zeit, die Rah­menbe­din­gun­gen so zu gestal­ten, dass Deutsch­land nicht nur tech­nol­o­gisch führend bleibt, son­dern auch ein attrak­tiv­er Ort für wis­senschaftliche Kar­ri­eren in all ihrer Vielfalt wird.

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