Die Produktion von Lebensmitteln ist weltweit betrachtet für knapp ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich, wie aus einem Bericht der Welthungerhilfe aus dem Jahr 2023 hervorgeht [1]. Allein in Deutschland werden rund 50 % der Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt [2], wobei auf lediglich 10,3 % dieser Fläche ökologischer Landbau betrieben wird. Ernährung und Landwirtschaft haben im Zuge des globalen Wandels einen steigenden Einfluss auf die Umwelt genommen und tragen maßgeblich zum Verlust von Biodiversität bei [3]. Insofern ist es unerlässlich, die Bereiche Ernährung und Landwirtschaft zu überdenken und nachhaltig auszurichten, um die Umwelt- und Klimaschutzziele zu erreichen und gleichzeitig einen lebenswerten Planeten zu erhalten. Insbesondere öffentliche Einrichtungen sollten diesbezüglich eine Vorbildfunktion im Bereich nachhaltiger Ernährung einnehmen.
Aufgrund dessen spricht sich der Bayerische Landesstudierendenrat für eine ökologisch verträgliche Kreislaufwirtschaft innerhalb der bayerischen Hochschulgastronomie aus. Wichtig ist, durch gesamtgesellschaftliche Inklusion aller Hochschulmitglieder und durch einen optimalen Einsatz der finanziellen Mittel, täglich ein abwechslungsreiches Angebot an Speisen und Getränken im Sinne von Klimaschutz und Nachhaltigkeit bereitzustellen, welches zudem den Ansprüchen an Regionalität und Saisonalität gerecht wird. Handlungsoptionen sollen grundsätzlich auf den zur Verfügung stehenden Ressourcen nach Ihren Mehrwerten für diese Ziele abgewogen und priorisiert werden. Basierend auf dieser Priorisierung gilt es Strategien zu entwickeln, die unmittelbar zum nachhaltigen Agieren aufrufen.
Ziel dieses Positionspapiers ist die Sensibilisierung sowie die Stärkung des Bewusstseins gegenüber nachhaltiger Gastronomie an bayerischen Hochschulen, insbesondere in den Bereichen Speisen und Getränke, Verpackungen und Lebensmittelbeschaffung.
Die Hochschulgastronomie ist ein stetig wachsender Bereich innerhalb der Hochschullandschaft, der täglich die Bedürfnisse von mehreren tausend Konsument*innen erfüllen möchte. Wichtig ist, dass Speisen und Getränke neben den Anforderungen der nachhaltigen Beschaffung und umweltfreundlichen Verpackung eine hohe Qualität aufweisen, abwechslungsreich sind und zu einem für Studierende akzeptablen Preis angeboten werden. Eine hohe Anpassungsfähigkeit bei vergleichsweise geringbleibendem Aufwand könnte durch ein System geschaffen werden, in welchem sich ein veganes, vollwertiges Grundgericht durch optional wählbare Zutaten auf die Wünsche der Gastronomiebesuchenden anpassen lässt. Dieses Gericht sollte an für sich bereits vollwertig sowie abwechslungsreich sein und einen attraktiven Preis für Studierende aufweisen. Zusätzlich sollte die Möglichkeit bestehen, dieses Gericht mit einem vegetarischen oder fleischhaltigen Angebot zu ergänzen. Es ist somit vorstellbar, dass es beispielsweise bei Lasagne die Auswahl zwischen einer Gemüselasagne und einer klassischen Lasagne gibt sowie Schnitzel aus Fleisch oder Hülsenfrüchten, Pilzen bzw. Gemüse angeboten wird. Studierende sollten eine größtmögliche Auswahl haben, aber die an für sich schon attraktive Standardoption ist die gesündeste und umweltverträglichste Variante. Wichtig ist weiterhin, dass für Studierende mit Unverträglichkeiten und Intoleranzen entsprechende Hinweise gegeben und Alternativgerichte angeboten werden, die ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen und eine sichere Auswahl gewährleisten.
Um die Verantwortung gegenüber Klimaschutz und Umweltbewusstsein weiter zu steigern hat sich z. B. im Studierendenwerk Niederbayern/Oberpfalz als ein sehr nützliches Konzept der sogenannte Klimateller durchgesetzt. Dieser kennzeichnet das klimafreundlichste Gericht des Tages, welches die geringsten CO2-Emissionen verursacht. Ein bereits etabliertes Projekt ist zudem der Klimacent, ein kleines zusätzliches Entgelt auf nicht-umweltfreundliche Gerichte, welcher in nachhaltige Projekte investiert werden kann.
Als soziale und ökologische Maßnahme spricht sich der Bayerische Landesstudierendenrat dafür aus, dass das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst finanzielle Mittel einrichtet, die es den Mensen erlauben, täglich entsprechende hochwertige Gerichte für einen geringen Preis anzubieten.
Ebenso ist es möglich Kosten einzusparen, indem weniger Gerichte mit Fleisch und Milchprodukten produziert werden, sodass auch finanzielle Mittel für pflanzliche Vor- und Nachspeisen zur Verfügung stehen. Angesichts der durch die Inflation überproportional gestiegenen Lebensmittelpreise wäre dies eine finanzielle Entlastung für viele Studierende und würde einen wichtigen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit liefern. Gleichzeitig würde dies die Akzeptanz und Attraktivität umweltfreundlicher, veganer Gerichte steigern.
Um die Nachhaltigkeit der Angebote in den Mensen garantieren zu können, ist es unerlässlich, dass Lebensmittel, die regional umweltschonend angebaut werden können, auch von lokalen Betrieben beschafft werden. Eine regionale und saisonale Einkaufsstrategie stärkt Erzeuger*innen vor Ort und reduziert die lagerungs- und transportbezogenen Emissionen. Dies ist leicht mit dem ökologischen Fußabdruck, einer Messgröße die den Ressourcenverbrauch angibt [4], zu bestimmen. Dieser ist bei regionalen Produkten geringer, als bei Lebensmitteln aus dem Ausland, was hauptsächlich damit begründet wird, dass kürzere Transportwege entstehen. Der CO2-Fußabdruck eines Apfels aus Neuseeland beträgt beispielsweise 0,8 kg CO2-Äqu./kg. Bei einem Apfel aus der Region sinkt der ökologische Fußabdruck um mehr als die Hälfte auf ca. 0,3–0,4 kg CO2-Äqu./kg. Importierte Lebensmittel legen oft lange Strecken mit dem Schiff oder dem Flugzeug zurück. Die Transportwege sind demzufolge weder klimaneutral noch ressourcenschonend. Zwischen regionalen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen liegen nur kurze Strecken, weshalb insbesondere der CO2-Ausstoß während des Transportes erheblich minimiert wird. Darüber hinaus muss für lange Transportwege die Haltbarkeit der Lebensmittel garantiert werden, weshalb diese oft mit Pestiziden oder andern Mitteln versetzt sind. Aufgrund der kurzen Transportwege zwischen regionalen Erzeugern und Verbrauchern, kann auf solche Mittel verzichtet und die Qualität der Produkte erhöht werden.
Im Vergleich zur Regionalität hat die Verwendung saisonaler Produkte einen weitaus positiveren Einfluss auf die Klimabilanz. Dies kann erneut anhand des ökologischen Fußabdrucks beurteilt werden. Während Erdbeeren im Winter CO2-Äquivalente von 3,4 kg pro kg Erdbeeren verzeichnen, sind es bei saisonalen Erdbeeren aus der Region nur noch 0,3kg CO2-Äqu./kg. Durch die Verwendung saisonaler Produkte werden Lagerungskosten vermieden und Transportemissionen erheblich reduziert. Dies wiederum zieht soziale und ökologische Mehrwerte mit sich und schont zugleich die Umwelt [5]. Entscheidend ist demnach eine Kombination aus Regionalität und Saisonalität, um die Hochschulgastronomie nachhaltiger zu gestalten.
Zur Umsetzung könnte eine Zusammenarbeit durch lokale Verbraucher*innen-Erzeuger*innen-Gemeinschaften eingeführt und evaluiert werden. Innerhalb dieser Gemeinschaften können Kunden regional und ökologisch produzierte Lebensmittel zu fairen Preisen erwerben, sodass ein nachhaltiger Konsum gefördert wird.
Um das Bewusstsein und die Sensibilisierung für nachhaltige Ernährung weiter zu stärken, ist die transparente Kennzeichnung durch verschiedene Siegel und Labels von großer Bedeutung. Darauf sollten Mensen bereits bei der Beschaffung ihrer Produkte achten, indem sie im Vorfeld eine nachhaltige Beschaffungsstrategie entwickeln und sich an dieser orientieren. Die Gerichte mit Produkten aus nachhaltiger Landwirtschaft sollen auch als solche gekennzeichnet werden, z. B. mit den Hinweisen „Fairtrade“ oder „BIO“, um zu garantieren, dass die verwendeten Produkte unter fairen Arbeitsbedingungen mit fairen Löhnen hergestellt wurden sowie aus ökologischem Landbau stammen und die Produktion ohne den Einsatz von synthetischen Pestiziden und Kunstdünger erfolgte.
Mittelfristig ist eine Abkehr von Lebensmitteln aus einjährigen Monokulturen zu erstreben und der Bezug aus Mischkulturen, mehrjährigen Permakulturen und anderen nachhaltigeren Anbaumethoden zu fördern, um die Biodiversität sowie wertvolle Nährstoffe in den Böden zu erhalten und Ökosysteme zu schützen [6]. Die transparente Kennzeichnung durch Siegel und Labels unterstützt die Studierenden dabei, informierte und verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen. Durch Förderung von Fairtrade‑, Bio- und Tierwohl-Produkten werden ethische und ökologische Standards gestärkt, die sich positiv auf die gesamte Lebensmittelkette auswirken.
Die nachhaltige Beschaffungsstrategie fördert auch die stufenweise Reduzierung von Produkten aus niedrigen Haltungsstufen, die nicht nachhaltig sind. Die schrittweise Eliminierung solcher Produkte zugunsten von Fleisch und Milchprodukten aus artgerechter Tierhaltung trägt zu besseren Lebensbedingungen für Nutztiere bei und unterstützt die allgemeine Akzeptanz von tierwohlgerechteren Alternativen. Eine hohe Haltungsstufe garantiert bei Hühnern zum Beispiel Freilandhaltung und gute Haltungsbedingungen. Der Einkauf aus höheren Haltungsstufen hilft damit auch bei der Reduktion von Massentierhaltungen.
Die Strategie hilft außerdem beim Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. Eine gut geplante und bedarfsgerechte Bereitstellung der Gerichte verhindert, dass zu große Mengen an Essen gekocht werden, die am Ende des Tages vernichtet werden müssen. Darüber hinaus könnten moderne Konzepte und technische Möglichkeiten in den Mensen implementiert werden, um überschüssige Lebensmittel effizient zu nutzen. Vorstellbar wären digitale Plattformen, über die Studierende in Echtzeit über noch verfügbare Speisen informiert werden und diese zu vergünstigten Preisen erwerben können. Es besteht zudem keine Notwendigkeit, das gesamte Angebot an Speisen und Getränken bis zur Schließung der Mensa aufrecht zu erhalten, sodass bei einer vorausschauenden Planung die Verschwendung von Lebensmitteln begrenzt werden kann. Da sich die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung auf alle Nachhaltigkeitskategorien positiv auswirkt, ist die Reduzierung der Verschwendung höher zu priorisieren als die uneingeschränkte Verfügbarkeit aller Gerichte bis zur Schließung der hochschulgastronomischen Einrichtung. Insbesondere fleischhaltige Speisen sollten in begrenzter Menge zur Verfügung stehen, um die Verschwendung der ohnehin unter hohem Ressourcenverbrauch produzierten Gerichte zu minimieren.
Darüber hinaus können individuell gewählte Portionsgrößen mit variablen Preisen maßgeblich zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung beitragen. Gut erhaltene und noch genießbare Speisen wie belegte Brötchen könnten zudem am Folgetag für einen vergünstigten Preis angeboten werden. Das Konzept “Zu gut für die Tonne” hat sich beispielsweise an der Universität Augsburg bereits bewährt.
Die Reduzierung des Mülls verbessert ebenso die Klimabilanz [7]. Demzufolge ist es darüber hinaus notwendig, die angebotenen Speisen und Getränke in nachhaltigen Verpackungen zur Verfügung zu stellen. Der Einsatz von Glasflaschen in Getränkeautomaten beispielsweise reduziert Einwegplastik erheblich, da Glas langlebig und vollständig recycelbar ist. Studien zeigen, dass die Vorteile von Glasflaschen, wie die Reduktion von Mikroplastik und Weichmachern und die höhere Recyclingrate, die höheren Transportkosten und den erhöhten Energieverbrauch bei der Produktion überwiegen [8]. Dies führt zu weniger Abfall und geringeren negativen Umweltauswirkungen.
Umweltfreundliche Verpackungsmaterialien verringern ebenso den ökologischen Fußabdruck. Biologisch abbaubare oder recycelbare Verpackungen reduzieren nicht-abbaubaren Müll, minimieren langfristige Umweltschäden und entlasten Mülldeponien. Mehrwegsysteme wie das in Bayern gegründete Recup-System fördern die Wiederverwendung von Verpackungen, sparen Ressourcen und reduzieren Abfall, sodass deren Einsatz langfristig in jeder Hochschulmensa implementiert werden sollte. Erfolgreiche Implementierungen wie in den Städten Augsburg, Wolfsburg und Stuttgart zeigen, dass logistische Herausforderungen und Hygienebedenken durch gute Planung und klare Kommunikation überwunden werden können. Die Akzeptanz dieser Systeme steigt, da Konsumenten ihre Vorteile erkennen und schätzen. Produkte wie Kuchen und belegte Brötchen in wiederverwendbaren oder recycelbaren Verpackungen setzen ein Zeichen für Nachhaltigkeit und reduzieren Verpackungsmüll.
Der Bayerische Landesstudierendenrat spricht sich für die Umsetzung der Maßnahmen für einen regelmäßigen Austausch mit den Studierendenwerken Bayerns aus, um gewinnbringende Verbesserungen im Sinne von Klima- und Umweltschutz innerhalb der Hochschullandschaft zu erlangen. Auf diesem Wege lassen sich innovative Konzepte und Strategien durch Erfahrungsberichte anderer Hochschulen besser evaluieren und leichter implementieren.
Perspektivisch ist es wichtig, die genannten Maßnahmen zu etablieren, da sie nicht nur das Bewusstsein für nachhaltige Ernährung schärfen, sondern auch langfristig zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und zum Erhalt der Biodiversität beitragen. Die Einführung von Konzepten wie dem Klimateller und der CO2-Äquivalent-Kennzeichnung sensibilisiert die Studierenden für die klimatischen Auswirkungen ihrer Ernährung und fördert eine klimafreundlichere Lebensweise. Schließlich trägt die Berücksichtigung von Unverträglichkeiten und Intoleranzen zur Inklusion und sozialen Gerechtigkeit bei, indem allen Studierenden eine sichere und vollwertige Ernährung ermöglicht wird. Langfristig gesehen unterstützen solche Initiativen nicht nur die Nachhaltigkeitsziele, sondern schaffen auch eine Vorbildfunktion der bayerischen Mensen, die weit über den hochschulischen Rahmen hinausgeht.
Literaturverzeichnis
[1] M. Crippa, E. Solazzo, D. Guizzardi, F. Monforti-Ferrario, F. N. Tubiello, and A. Leip, “Food systems are responsible for a third of global anthropogenic GHG emissions,” Nat Food, vol. 2, no. 3, pp. 198–209, Mar. 2021, doi: 10.1038/s43016-021–00225‑9.
[2] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, “Daten und Fakten — Land‑, Forst- und Ernährungswirtschaft mit Fischerei und Wein- und Gartenbau,” Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, May 2022. Accessed: Jul. 09, 2024. [Online]. Available: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/daten-fakten-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=8
[3] M. Emmerson et al., “How agricultural intensification affects biodiversity and ecosystem services,” in Advances in ecological research, vol. 55, Elsevier, 2016, pp. 43–97.
[4] Bundeszentrale für politische Bildung, “Ökologischer Fußabdruck und Biokapazität,” bpb.de. Accessed: Jul. 09, 2024. [Online]. Available: https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/globalisierung/255298/oekologischer-fussabdruck-und-biokapazitaet/
[5] G. Reinhardt, S. Gärtner, and T. Wagner, “Ökologische Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland,” IFEU—Institut für Energie-und Umweltforschung: Heidelberg, Germany, 2020.
[6] A. Watt, “Land-Use Intensity and Land-Use Change: Impacts on Biodiversity,” in Life on Land, W. Leal Filho, A. M. Azul, L. Brandli, A. Lange Salvia, and T. Wall, Eds., Cham: Springer International Publishing, 2020, pp. 1–13. doi: 10.1007/978–3‑319–71065-5_87‑1.
[7] one for the planet e. V., “Müll vermeiden und reduzieren – was hat es mit Zero Waste auf sich?,” one for the planet. Accessed: Jul. 09, 2024. [Online]. Available: https://onefortheplanet.de/muellvermeidung-und-zero-waste/
[8] L. Wang, “Life Cycle Assessment (LCA) and Eco-Profile of Plastic, Glass, and Aluminium Bottles,” SSRN Journal, 2020, doi: 10.2139/ssrn.3679112.