Eine zukunftsfähige Hochschulausbildung in Bayern muss flexible Rahmenbedingungen schaffen, die den vielfältigen Lebensrealitäten der Studierenden gerecht werden. Pflichtpraktika sind in vielen Studiengängen, vor allem in Bereichen wie Medizin und Lehramt, sowie allen Studiengängen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften unverzichtbare Bestandteile des Curriculums. Die derzeitige strikte Struktur solcher Praktika erschwert es den Studierenden jedoch massiv, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und sich finanziell abzusichern, da die Praktika meist in Vollzeit und unbezahlt stattfinden. Diese Rahmenbedingungen widersprechen zunehmend den Bedürfnissen und modernen Lebensrealitäten der Studierenden.
Die finanzielle Belastung, die durch Vollzeit-Pflichtpraktika ohne Vergütung entsteht, bringt viele Studierende in prekäre Situationen. Sie sind darauf angewiesen, neben dem Studium zu arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, was durch die Vollzeitpraktika unter derzeitigen Bedingungen kaum möglich ist.
Studierende bringen in Praktikumsphasen bereits wertvolle Qualifikationen mit und leisten einen produktiven Beitrag für die jeweiligen Praktikumsstätten. Daher wäre eine Vergütung für Praktika angemessen sinnvoll. Der Umstand, dass Studierende bei Praktika Erfahrung gewinnen, kann kein Argument gegen eine Vergütung sein, denn auch im Berufsleben werden Kompetenzen erworben. Wir plädieren an den Gesetzgeber, Anreize zu setzen, dass auch Pflichtpraktika vergütet werden, verstehen aber, dass diese unter den aktuellen Bedingungen nicht in jedem Fall möglich sind.
Unsere Forderungen zur Flexibilisierung von unbezahlten Pflichtpraktika umfassen daher:
- Anpassung der Praktikumszeiten durch Teilzeitmodelle: Einführung flexibler Modelle, z. B. vier Tage pro Woche, um den Studierenden einen Tag für Erwerbstätigkeiten oder andere Verpflichtungen zu ermöglichen. So könnten auch Studierende mit finanziellen oder familiären Verpflichtungen die Praktika ohne Existenzängste absolvieren.
- Individuelle Anpassungsmöglichkeiten: Die Praktikumszeiten sollten in Absprache mit den Praktikumsstellen an individuelle Bedürfnisse angepasst werden können. Dies würde den Studierenden eine bessere Vereinbarkeit von Studium und persönlichem Umfeld ermöglichen und ihre Ausbildungsqualität nicht beeinträchtigen.
- Verbesserte Betreuung in Praktika: Eine angemessene Betreuung während der Praktika stellt sicher, dass Studierende auf Augenhöhe integriert werden und wertvolle Lernerfahrungen machen. Eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Betreuung erhöht den Lerneffekt bei Praktika und fördert somit den Kompetenzerwerb erheblich.
- Ermöglichung von Alternativprogrammen bei längeren Praktika: Einige Praktika müssen über längere Zeit, viel auch im Ausland, stattfinden. Dies ist problematisch, da Studierende meist nicht von ihrer Arbeitsstelle so lange frei bekommen oder ihre Miete zuhause und im Ausland zahlen können. Außerdem ist diese Form des Praktikums unrealistisch für Studierende mit Familien. Daher benötigt es ein Alternativprogramm, das bei solchen (Härtefällen) greifen kann, um ein Weiterstudium zu ermöglichen.
Die Flexibilisierung von Pflichtpraktika trägt dazu bei, dass alle Studierenden, unabhängig von ihrer Lage, die gleichen Chancen auf eine hochwertige Ausbildung erhalten. Der Bayerische Landesstudierendenrat appelliert daher eindringlich an die Politik, eine Reform der Pflichtpraktika anzugehen, die den aktuellen Herausforderungen der Hochschullandschaft gerecht wird. Bayern muss ein attraktiver Bildungsstandort werden, der Vielfalt und Chancengleichheit aktiv fördert.