Learning Analytics an Hochschulen – Chancen nutzen, Rechte wahren

BESCHLUSS

Mit der zunehmenden Dig­i­tal­isierung der Lehre entste­hen zahlre­iche Dat­en über Ler­nak­tiv­itäten von Studieren­den, beispiel­sweise aus Quizfra­gen, Online-Übun­gen oder der Nutzung dig­i­taler Lern­ma­te­ri­alien. Die sys­tem­a­tis­che Auswer­tung dieser Dat­en wird als Learn­ing Ana­lyt­ics (LA) beze­ich­net und bietet ein großes Poten­zial, um das Ler­nen indi­vidu­ell zu fördern, Studierende gezielt beim Lern­prozess zu unter­stützen sowie die Qual­ität der Lehre ins­ge­samt nach­haltig zu verbessern [1][2]. LA ermöglicht es Studieren­den, ihren Lern­fortschritt eigen­ständig nachzu­vol­lziehen, Wis­senslück­en frühzeit­ig zu erken­nen und passende näch­ste Lern­schritte abzuleit­en. Lehrende prof­i­tieren par­al­lel dazu von anonymisierten Rück­mel­dun­gen über häu­fig auftre­tende Schwierigkeit­en im Kurs, wodurch sie ihre Didak­tik gezielt opti­mieren kön­nen [1][3].

Der BayStu­Ra unter­stützt nach­drück­lich den Ein­satz von LA an bay­erischen Hochschulen und for­muliert im fol­gen­den Leitlin­ien, wie LA sin­nvoll und pos­i­tiv einge­set­zt wer­den kann. Wichtig sind hier­bei Frei­willigkeit (Opt-in), Trans­parenz in der Daten­er­he­bung und ‑ver­wen­dung, Fair­ness im Umgang mit Dat­en sowie strik­te Daten­schutzkon­for­mität. Indi­vidu­elle Analy­sen sind auss­chließlich für die jew­eili­gen Studieren­den bes­timmt, bee­in­flussen niemals Prü­fun­gen oder Noten und dienen einzig dem Ziel, Lern­prozesse indi­vidu­ell zu verbessern. Auf diese Weise wird LA nicht nur akzep­tiert, son­dern als sin­nvolle Ergänzung zur Verbesserung der Lehre geschätzt [1][2][3].

LA bietet reale Chan­cen, ohne die Autonomie der Studieren­den zu unter­laufen. Zum einen macht es Lern­prozesse sicht­bar: Wer nachvol­lziehen kann, was wann bear­beit­et wurde, wo Ver­ständ­nis­prob­leme auftreten und welch­er Inhalt als Näch­stes sin­nvoll ist, lernt geziel­ter und selb­st­bes­timmter. Zum anderen ermöglicht LA wirk­same, aber zurück­hal­tende Früh­war­nun­gen, wenn etwa das Engage­ment erkennbar abreißt – gestal­tet als Ein­ladung zur Beratung. Drit­tens steigern aggregierte, nicht per­so­n­en­be­zo­gene Rück­mel­dun­gen an Lehrende die didak­tis­che Qual­ität, weil sie schnell anzeigen, an welchen Auf­gaben oder Konzepten viele scheit­ern. Der empirische Forschungs­stand weist – bei het­ero­gen­er Evi­denz – ins­ge­samt auf kleine bis mit­tlere Leis­tungs­gewinne hin, sofern Inter­ven­tio­nen klar an Lernziele gekop­pelt und päd­a­gogisch begleit­et wer­den [4][5]. 

Damit LA sin­nvoll greift, braucht es geeignete Kon­texte und Mate­ri­alien. Beson­ders tragfähig ist LA in For­mat­en, in denen dig­i­tale, inhaltlich aus­sagekräftige Arte­fak­te entste­hen: Pro­gram­mier­auf­gaben mit Online-Abgabe, Quiz und kurze Zwis­chenchecks in Flipped-Class­room-Set­tings, Videos mit einge­bet­teten Fra­gen oder Sem­i­nare mit Leseauf­gaben und Leit­fra­gen. Dort sind deskrip­tive (Was geschah?), diag­nos­tis­che (Wo häufen sich Fehler?), vor­sichtig prädik­tive (Wo zeich­nen sich Prob­leme ab?) und präskrip­tive Auswer­tun­gen (Was ist jet­zt ein passender Lern­schritt?) möglich. Voraus­ge­set­zt sind sauber for­mulierte Lernziele, fach­lich valide Auf­gaben und Inter­ak­tio­nen, die mehr zeigen als nur Abruf und Klick­zahlen. Dabei wer­den mehr Dat­en erhoben – aber ziel­gerichtet, zweck­ge­bun­den und in klar­er Daten­min­imierung, nicht flächig und „auf Vor­rat“ [2][6][7].

Akzep­tanz entste­ht hier durch ordentliche Infor­ma­tion statt Black-Box-Gefühl. Studierende müssen vor­ab ver­ständlich erfahren, welche Dat­en zu welchem Zweck erhoben wer­den, wie die Auswer­tung funk­tion­iert, wer welche Sicht­en erhält, wie lange gespe­ichert wird und welche Rechte beste­hen (Auskun­ft, Berich­ti­gung, Wider­ruf). Inter­na­tionale Leit­fä­den – etwa der Jisc-Kodex und die SURF-Roadmap – set­zen hier­für Stan­dards: Trans­parenz, par­tizipa­tive Gov­er­nance, doku­men­tierte Ver­hält­nis­mäßigkeit und strikt for­ma­tive Nutzung [1][2][3]. 

Eben­so klar sind die Gren­zen. LA darf keinen Ein­fluss auf Prü­fun­gen, Zulas­sun­gen oder son­stige Leis­tungs­fest­stel­lun­gen haben; vol­lau­toma­tisierte Einze­lentschei­dun­gen mit erhe­blich­er Wirkung sind auszuschließen. Somit ist notwendig, LA über informierte Ein­willi­gun­gen, klare Satzun­gen und Daten­schutz-Fol­gen­ab­schätzun­gen zu imple­men­tieren; gen­er­alk­lause­lar­tige Erlaub­nisse reichen für die Tiefe typ­is­ch­er Analy­sen nicht aus. 

Dozieren­den­feed­back ist legit­im, wenn es auss­chließlich aggregiert, ab belast­baren Min­destko­hort­en und ohne Indi­vid­u­al­pro­file erfol­gt. Ver­gle­ich­srank­ings („Top 50 %“) und soziale Wet­tbe­werb­sanzeigen sind prob­lema­tisch, weil sie Fehldeu­tun­gen und Druck erzeu­gen; zielführend sind Darstel­lun­gen, die den indi­vidu­ellen Lern­fortschritt und näch­ste Schritte beto­nen. Inter­na­tionale Debat­ten – etwa die nor­wegis­che Analyse der Dilem­ma­ta Dat­en, Ler­nen, Gov­er­nance und Kom­pe­tenz – unter­stre­ichen die Notwendigkeit ver­trauens­bilden­der Schutzmech­a­nis­men sowie Qual­i­fizierung aller Beteiligten. Erwartungsstu­di­en zeigen zudem europaweit ähn­liche stu­den­tis­che Pri­or­itäten: hohe Ansprüche an Ethik und Pri­vat­sphäre bei zugle­ich klaren Ser­viceer­wartun­gen an nüt­zlich­es, ver­ständlich­es Feed­back [2][5][8][9].

Forderungen

Der BayStu­Ra befür­wortet LA als frei­williges, beglei­t­en­des Unter­stützungssys­tem – und for­muliert dafür Leitlin­ien:

Frei­willigkeit und Selb­st­bes­tim­mung. Teil­nahme auss­chließlich per Opt-in, jed­erzeit wider­ruf­bar und fol­gen­los; LA unter­stützt Ler­nentschei­dun­gen, erset­zt sie jedoch nicht. Keine Prü­fungsrel­e­vanz: Wed­er Teil­nahme noch Ergeb­nisse aus LA dür­fen auf Noten, Zulas­sun­gen oder andere Leis­tungsentschei­dun­gen durch­schla­gen. Kein Automa­tismus:Hin­weise aus LA sind Anstoß für men­schliche Beratung, nicht für vol­lau­toma­tisierte Ein­griffe [1][2].

Ordentliche Infor­ma­tion der Studieren­den. Vor Aktivierung informiert die Hochschule ver­ständlich über Zweck und Nutzen, Daten­typen und ‑quellen, Auswer­tungslogik, Empfänger­rechte, Spe­icher­fris­ten, Ansprech­stellen sowie Rechte (Auskun­ft, Berich­ti­gung, Wider­ruf). Unmissver­ständlich ist klarzustellen: Lehrende sehen keine per­so­n­en­be­zo­ge­nen Lern­ver­läufe; Rück­mel­dun­gen in Lehrteams erfol­gen auss­chließlich aggregiert [1][2][3]. 

Wo LA sin­nvoll ist – und welche Auswer­tun­gen tragfähig sind. Hochschulen pri­or­isieren bei der Ein­führung von LA Kurse mit beste­hen­den geeigneten dig­i­tal­en Arte­fak­ten (z. B. Pro­gram­mier­prak­ti­ka, Kurse mit Online-Quiz, Flipped-Class­room-For­mate, VHB-Ange­bote), auch wenn Pilot­pro­jek­te in anderen Bere­ichen unter­stützt wer­den sollen. Zuläs­sig sind Auswer­tun­gen, die sich an den Lernzie­len ori­en­tieren; Mod­elle, die den Kurs­er­folg vor­raus­sagen, müssen auf trans­par­ent inter­pretier­bar­er und ver­ständlich­er Daten­ba­sis arbeit­en und für den entsprechen­den Kurs spez­i­fisch zuver­läs­sige Ergeb­nisse liefern. Lehrende bekom­men hier­bei Kurs­feed­back, kön­nen aber keine indi­vidu­ellen Ergeb­nisse ein­se­hen oder sehen, wer teil­nimmt, son­dern nur als aggregierte Rück­mel­dun­gen ab bes­timmten Kohort­en­größen. [6][7]. 

Mate­ri­alqual­ität und gezielte Daten­er­he­bung. Lehr­ma­te­r­i­al wird so auf­bere­it­et, dass Lernziele erkennbar sind und Auf­gaben fach­lich valide auf diese Ziele ver­weisen. Inter­ak­tio­nen wer­den dort erhoben, wo sie didak­tisch Sinn stiften. Hier­für braucht es mehr Dat­en – aber nur in dem Umfang, der für Feed­back, Unter­stützung und Kursverbesserung notwendig ist. Daten­min­imierung, Zweck­bindung, Löschkonzepte und tech­nis­che Zugriffs­beschränkun­gen sind verbindlich [2].

Rechts- und Gov­er­nance-Rah­men. Jede Hochschule ver­ankert LA in ein­er Satzung mit klaren Zweck­en, Datenkat­e­gorien, Rollen, Schwellen, Spe­icher­fris­ten, Inter­ven­tion­swe­gen sowie Beschw­erde- und Wider­spruchsver­fahren; vor Inbe­trieb­nahme erfol­gt eine Daten­schutz-Fol­gen­ab­schätzung. Entsprechend hohe Schwellen gel­ten bei ein­er kursüber­greifend­en Imple­men­tierung. Bay­ern unter­stützt durch bay­ern­weite Muster­regelun­gen in Abstim­mung mit den Auf­sichts­be­hör­den [2][10][11]. 

Niedrigschwellige Inte­gra­tion und Qual­i­fizierung. LA wird zeit­nah in Pilot­pro­jek­ten einge­set­zt, wo sowieso dig­i­tale Arte­fak­te entste­hen (u. a. VHB-Kurse), und hochschul­weit über einen daten­schutzgeprüften LMS-Baustein bere­it­gestellt, damit zusät­zlich­er Aufwand für Lehrende min­i­mal bleibt. Studierende und Lehrende erhal­ten von den Hochschulen kurze, prax­is­na­he Schu­lun­gen zur Inter­pre­ta­tion und zu Gren­zen von LA sowie Hil­fe bei der Imple­men­tierung; stu­den­tis­che Gremien wirken in Gov­er­nance und Eval­u­a­tion verbindlich mit [1][2][3][8][9].

Quellen

[1] Jisc, Code of Prac­tice for Learn­ing Ana­lyt­ics.
 https://www.jisc.ac.uk/guides/code-of-practice-for-learning-analytics

[2] SURF, Learn­ing Ana­lyt­ics in 5 Steps – A Guide to the GDPR.
 https://www.surf.nl/files/2020–06/learning-analytics-in-5-steps.pdf

[3] Tsai, Y.-S. et al., The SHEILA Frame­work: Inform­ing Insti­tu­tion­al Strate­gies and Pol­i­cy Process­es of Learn­ing Ana­lyt­ics, Jour­nal of Learn­ing Ana­lyt­ics (2018).
 https://learning-analytics.info/index.php/JLA/article/view/6096

[4] A meta-analy­sis on the effect of learn­ing ana­lyt­ics inter­ven­tions on stu­dents’ aca­d­e­m­ic per­for­mance, Jour­nal of Research on Tech­nol­o­gy in Edu­ca­tion (2025).
 https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/15391523.2025.2536571

[5] The Effec­tive­ness of Learn­ing Ana­lyt­ics-Based Inter­ven­tions in Enhanc­ing Stu­dents’ Learn­ing Effect (Meta-Analyse, 2025).
 https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/21582440251336707

[6] Moo­dle­Docs, Ana­lyt­ics.
 https://docs.moodle.org/en/Analytics

[7] Moo­dle­Docs, Stu­dents at risk of drop­ping out.
 https://docs.moodle.org/en/Students_at_risk_of_dropping_out

[8] Was­son, B. et al., Imple­ment­ing Learn­ing Ana­lyt­ics in Nor­way: Four Cen­tral Dilem­mas, Jour­nal of Learn­ing Ana­lyt­ics (2024).
 https://learning-analytics.info/index.php/JLA/article/view/8241

[9] Woll­ny, S. et al., Stu­dents’ Expec­ta­tions of Learn­ing Ana­lyt­ics across Europe, Jour­nal of Com­put­er Assist­ed Learn­ing (2023).
 https://www.pedocs.de/volltexte/2023/26282/pdf/Wollny_et_al_2023_Students_expectations_of_learning_analytics.pdf

[10] Hochschul­fo­rum Dig­i­tal­isierung, Rechtsgutacht­en: Daten­schutzrah­men von Learn­ing Ana­lyt­ics (NRW) (2023).
 https://hochschulforumdigitalisierung.de/news/rechtsgutachten-datenschutzrahmen-von-learning-analytics/

[11] Daten­recht Beratungs­ge­sellschaft, Learn­ing Ana­lyt­ics an Hochschulen in NRW – Gutacht­en (2023).
https://hss-opus.ub.ruhr-uni-bochum.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/9657

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