Beschlüsse und Positionen

Learning Analytics an Hochschulen – Chancen nutzen, Rechte wahren

Mit der zunehmenden Dig­i­tal­isierung der Lehre entste­hen zahlre­iche Dat­en über Ler­nak­tiv­itäten von Studieren­den, beispiel­sweise aus Quizfra­gen, Online-Übun­­gen oder der Nutzung dig­i­taler Lern­ma­te­ri­alien. Die sys­tem­a­tis­che Auswer­tung dieser Dat­en wird als Learn­ing Ana­lyt­ics (LA) beze­ich­net und bietet ein großes Poten­zial, um das Ler­nen indi­vidu­ell zu fördern, Studierende gezielt beim Lern­prozess zu unter­stützen sowie die Qual­ität der Lehre ins­ge­samt nach­haltig zu verbessern [1][2]. LA ermöglicht es Studieren­den, ihren Lern­fortschritt eigen­ständig nachzu­vol­lziehen, Wis­senslück­en frühzeit­ig zu erken­nen und passende näch­ste Lern­schritte abzuleit­en. Lehrende prof­i­tieren par­al­lel dazu von anonymisierten Rück­mel­dun­gen über häu­fig auftre­tende Schwierigkeit­en im Kurs, wodurch sie ihre Didak­tik gezielt opti­mieren kön­nen [1][3]. Der BayStu­Ra unter­stützt nach­drück­lich den Ein­satz von LA an bay­erischen Hochschulen und for­muliert im fol­gen­den Leitlin­ien, wie LA sin­nvoll und pos­i­tiv einge­set­zt wer­den kann. Wichtig sind hier­bei Frei­willigkeit (Opt-in), Trans­parenz in der Daten­er­he­bung und ‑ver­wen­dung, Fair­ness im Umgang mit Dat­en sowie strik­te Daten­schutzkon­for­mität. Indi­vidu­elle Analy­sen sind auss­chließlich für die jew­eili­gen Studieren­den bes­timmt, bee­in­flussen niemals Prü­fun­gen oder Noten und dienen einzig dem Ziel, Lern­prozesse indi­vidu­ell zu verbessern. Auf diese Weise wird LA nicht nur akzep­tiert, son­dern als sin­nvolle Ergänzung zur Verbesserung der Lehre geschätzt [1][2][3]. LA bietet reale Chan­cen, ohne die Autonomie der Studieren­den zu unter­laufen. Zum einen macht es Lern­prozesse sicht­bar: Wer nachvol­lziehen kann, was wann bear­beit­et wurde, wo Ver­ständ­nis­prob­leme auftreten und welch­er Inhalt als Näch­stes sin­nvoll ist, lernt geziel­ter und selb­st­bes­timmter. Zum anderen ermöglicht LA wirk­same, aber zurück­hal­tende Früh­war­nun­gen, wenn etwa das Engage­ment erkennbar abreißt – gestal­tet als Ein­ladung zur Beratung. Drit­tens steigern aggregierte, nicht per­so­n­en­be­zo­gene Rück­mel­dun­gen an Lehrende die didak­tis­che Qual­ität, weil sie schnell anzeigen, an welchen Auf­gaben oder Konzepten viele scheit­ern. Der empirische Forschungs­stand weist – bei het­ero­gen­er Evi­denz – ins­ge­samt auf kleine bis mit­tlere Leis­tungs­gewinne hin, sofern Inter­ven­tio­nen klar an Lernziele gekop­pelt und päd­a­gogisch begleit­et wer­den [4][5].  Damit LA sin­nvoll greift, braucht es geeignete Kon­texte und Mate­ri­alien. Beson­ders tragfähig ist LA in For­mat­en, in denen dig­i­tale, inhaltlich aus­sagekräftige Arte­fak­te entste­hen: Pro­gram­mier­auf­gaben mit Online-Abgabe, Quiz und kurze Zwis­chenchecks in Flipped-Class­­room-Set­t­ings, Videos mit einge­bet­teten Fra­gen oder Sem­i­nare mit Leseauf­gaben und Leit­fra­gen. Dort sind deskrip­tive (Was geschah?), diag­nos­tis­che (Wo häufen sich Fehler?), vor­sichtig prädik­tive (Wo zeich­nen sich Prob­leme ab?) und präskrip­tive Auswer­tun­gen (Was ist jet­zt ein passender Lern­schritt?) möglich. Voraus­ge­set­zt sind sauber for­mulierte Lernziele, fach­lich valide Auf­gaben und Inter­ak­tio­nen, die mehr zeigen als nur Abruf und Klick­zahlen. Dabei wer­den mehr Dat­en erhoben – aber ziel­gerichtet, zweck­ge­bun­den und in klar­er Daten­min­imierung, nicht flächig und „auf Vor­rat“ [2][6][7]. Akzep­tanz entste­ht hier durch ordentliche Infor­ma­tion statt Black-Box-Gefühl. Studierende müssen vor­ab ver­ständlich erfahren, welche Dat­en zu welchem Zweck erhoben wer­den, wie die Auswer­tung funk­tion­iert, wer welche Sicht­en erhält, wie lange gespe­ichert wird und welche Rechte beste­hen (Auskun­ft, Berich­ti­gung, Wider­ruf). Inter­na­tionale Leit­fä­den – etwa der Jisc-Kodex und die SURF-Roadmap – set­zen hier­für Stan­dards: Trans­parenz, par­tizipa­tive Gov­er­nance, doku­men­tierte Ver­hält­nis­mäßigkeit und strikt for­ma­tive Nutzung [1][2][3].  Eben­so klar sind die Gren­zen. LA darf keinen Ein­fluss auf Prü­fun­gen, Zulas­sun­gen oder son­stige Leis­tungs­fest­stel­lun­gen haben; vol­lau­toma­tisierte Einze­lentschei­dun­gen mit erhe­blich­er Wirkung sind auszuschließen. Somit ist notwendig, LA über informierte Ein­willi­gun­gen, klare Satzun­gen und Daten­schutz-Fol­­gen­ab­schätzun­­gen zu imple­men­tieren; gen­er­alk­lause­lar­tige Erlaub­nisse reichen für die Tiefe typ­is­ch­er Analy­sen nicht aus.  Dozieren­den­feed­back ist legit­im, wenn es auss­chließlich aggregiert, ab belast­baren Min­destko­hort­en und ohne Indi­vid­u­al­pro­file erfol­gt. Ver­gle­ich­srank­ings („Top 50 %“) und soziale Wet­tbe­werb­sanzeigen sind prob­lema­tisch, weil sie Fehldeu­tun­gen und Druck erzeu­gen; zielführend sind Darstel­lun­gen, die den indi­vidu­ellen Lern­fortschritt und näch­ste Schritte beto­nen. Inter­na­tionale Debat­ten – etwa die nor­wegis­che Analyse der Dilem­ma­ta Dat­en, Ler­nen, Gov­er­nance und Kom­pe­tenz – unter­stre­ichen die Notwendigkeit ver­trauens­bilden­der Schutzmech­a­nis­men sowie Qual­i­fizierung aller Beteiligten. Erwartungsstu­di­en zeigen zudem europaweit ähn­liche stu­den­tis­che Pri­or­itäten: hohe Ansprüche an Ethik und Pri­vat­sphäre bei zugle­ich klaren Ser­viceer­wartun­gen an nüt­zlich­es, ver­ständlich­es Feed­back [2][5][8][9]. Forderun­gen Der BayStu­Ra befür­wortet LA als frei­williges, beglei­t­en­des Unter­stützungssys­tem – und for­muliert dafür Leitlin­ien: Frei­willigkeit und Selb­st­bes­tim­mung. Teil­nahme auss­chließlich per Opt-in, jed­erzeit wider­ruf­bar und fol­gen­los; LA unter­stützt Ler­nentschei­dun­gen, erset­zt sie jedoch nicht. Keine Prü­fungsrel­e­vanz: Wed­er Teil­nahme noch Ergeb­nisse aus LA dür­fen auf Noten, Zulas­sun­gen oder andere Leis­tungsentschei­dun­gen durch­schla­gen. Kein Automa­tismus:Hin­weise aus LA sind Anstoß für men­schliche Beratung, nicht für vol­lau­toma­tisierte Ein­griffe [1][2]. Ordentliche Infor­ma­tion der Studieren­den. Vor Aktivierung informiert die Hochschule ver­ständlich über Zweck und Nutzen, Daten­typen und ‑quellen, Auswer­tungslogik, Empfänger­rechte, Spe­icher­fris­ten, Ansprech­stellen sowie Rechte (Auskun­ft, Berich­ti­gung, Wider­ruf). Unmissver­ständlich ist klarzustellen: Lehrende sehen keine per­so­n­en­be­zo­ge­nen Lern­ver­läufe; Rück­mel­dun­gen in Lehrteams erfol­gen auss­chließlich aggregiert [1][2][3].  Wo LA sin­nvoll ist – und welche Auswer­tun­gen tragfähig sind. Hochschulen pri­or­isieren bei der Ein­führung von LA Kurse mit beste­hen­den geeigneten dig­i­tal­en Arte­fak­ten (z. B. Pro­gram­mier­prak­ti­ka, Kurse mit Online-Quiz, Flipped-Class­­room-For­­mate, VHB-Ange­bote), auch wenn Pilot­pro­jek­te in anderen Bere­ichen unter­stützt wer­den sollen. Zuläs­sig sind Auswer­tun­gen, die sich an den Lernzie­len ori­en­tieren; Mod­elle, die den Kurs­er­folg vor­raus­sagen, müssen auf trans­par­ent inter­pretier­bar­er und ver­ständlich­er Daten­ba­sis arbeit­en und für den entsprechen­den Kurs spez­i­fisch zuver­läs­sige Ergeb­nisse liefern. Lehrende bekom­men hier­bei Kurs­feed­back, kön­nen aber keine indi­vidu­ellen Ergeb­nisse ein­se­hen oder sehen, wer teil­nimmt, son­dern nur als aggregierte Rück­mel­dun­gen ab bes­timmten Kohort­en­größen. [6][7].  Mate­ri­alqual­ität und gezielte Daten­er­he­bung. Lehr­ma­te­r­i­al wird so auf­bere­it­et, dass Lernziele erkennbar sind und Auf­gaben fach­lich valide auf diese Ziele ver­weisen. Inter­ak­tio­nen wer­den dort erhoben, wo sie didak­tisch Sinn stiften. Hier­für braucht es mehr Dat­en – aber nur in dem Umfang, der für Feed­back, Unter­stützung und Kursverbesserung notwendig ist. Daten­min­imierung, Zweck­bindung, Löschkonzepte und tech­nis­che Zugriffs­beschränkun­gen sind verbindlich [2]. Rechts- und Gov­­er­­nance-Rah­­men. Jede Hochschule ver­ankert LA in ein­er Satzung mit klaren Zweck­en, Datenkat­e­gorien, Rollen, Schwellen, Spe­icher­fris­ten, Inter­ven­tion­swe­gen sowie Beschw­erde- und Wider­spruchsver­fahren; vor Inbe­trieb­nahme erfol­gt eine Daten­schutz-Fol­­gen­ab­schätzung. Entsprechend hohe Schwellen gel­ten bei ein­er kursüber­greifend­en Imple­men­tierung. Bay­ern unter­stützt durch bay­ern­weite Muster­regelun­gen in Abstim­mung mit den Auf­sichts­be­hör­den [2][10][11].  Niedrigschwellige Inte­gra­tion und Qual­i­fizierung. LA wird zeit­nah in Pilot­pro­jek­ten einge­set­zt, wo sowieso dig­i­tale Arte­fak­te entste­hen (u. a. VHB-Kurse), und hochschul­weit über einen daten­schutzgeprüften LMS-Baustein bere­it­gestellt, damit zusät­zlich­er Aufwand für Lehrende min­i­mal bleibt. Studierende und Lehrende erhal­ten von den Hochschulen kurze, prax­is­na­he Schu­lun­gen zur Inter­pre­ta­tion und zu Gren­zen von LA sowie Hil­fe bei der Imple­men­tierung; stu­den­tis­che Gremien wirken in Gov­er­nance und Eval­u­a­tion verbindlich mit [1][2][3][8][9]. Quellen [1] Jisc, Code of Prac­tice for Learn­ing Ana­lyt­ics. https://www.jisc.ac.uk/guides/code-of-practice-for-learning-analytics [2] SURF, Learn­ing Ana­lyt­ics in 5 Steps – A Guide to the GDPR. https://www.surf.nl/files/2020–06/learning-analytics-in-5-steps.pdf [3] Tsai, Y.-S. et al., The SHEILA Frame­work: Inform­ing Insti­tu­tion­al Strate­gies and Pol­i­cy Process­es of Learn­ing Ana­lyt­ics, Jour­nal of Learn­ing Ana­lyt­ics (2018). https://learning-analytics.info/index.php/JLA/article/view/6096 [4] A meta-ana­ly­­sis on the effect of learn­ing ana­lyt­ics inter­ven­tions on stu­dents’ aca­d­e­m­ic per­for­mance, Jour­nal of Research on Tech­nol­o­gy in Edu­ca­tion

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Für ein faires, fachlich fundiertes und verlässliches Verfahren beim Nachteilsausgleich an Bayerischen Hochschulen

1         Aus­gangslage: Studieren mit Beein­träch­ti­gung 1.1          Generelles Wie die bun­desweite best3-Studie des Deutschen Stu­den­ten­werks (2023, Daten­stand 2021) zeigt, geben 16 % der Studieren­den an, eine stu­di­ener­schw­erende Beein­träch­ti­gung erleben – im Ver­gle­ich zu 11 % im Jahr 2016, bzw. 8 % in 2011. Von diesen Betrof­fe­nen studieren 65 % mit psy­chis­chen Erkrankun­gen, 13 % mit chro­nis­chen Erkrankun­gen, und 31 % sind mehrfach beein­trächtigt. [1] Laut best3, ist der größte Anstieg in der Gruppe der Studieren­den mit ein­er psy­chis­chen Erkrankung ersichtlich: “Eine Zunahme um rund 20 Prozent­punk­te von 45 % im Jahr 2011 auf 65 % im Jahr 2021. […] Bei knapp 17 % der Studieren­den beste­ht die stu­di­ener­schw­erende Beein­träch­ti­gung von Geburt an, bei etwa 63 % trat sie vor Stu­di­en­be­ginn auf.” [1] Dem­nach erhal­ten 37 % dieser Studieren­den ihre Diag­nose erst im Ver­lauf des Studi­ums, was den Zugang zu Unter­stützung erschw­ert und sie struk­turell benachteiligt. Gle­ichzeit­ig nehmen nur 29 % der Betrof­fe­nen über­haupt einen Nachteil­saus­gle­ich in Anspruch, obwohl drei Vier­tel der­jeni­gen, die ihn nutzen, ihn als hil­fre­ich bew­erten [1]. Das weist auf tief­greifende struk­turelle Hin­dernisse und auf eine verun­sich­ernde Antragskul­tur hin. 1.2        Abbrüche Die fehlende struk­turelle Unter­stützung für Studierende mit Beein­träch­ti­gun­gen zeigt sich beson­ders deut­lich in den erhöht­en Abbruch- und Unter­brechungsquoten. Laut best3-Studie hat etwa jede*r fün­fte Studierende mit stu­di­ener­schw­eren­der Beein­träch­ti­gung das Studi­um min­destens ein­mal unter­brochen – im Ver­gle­ich zu nur 9 % unter den nicht beein­trächtigten Studieren­den. Auch der Wech­sel des Stu­di­en­fachs (36,5 % vs. 23,6 %) und der Hochschule (27,3 % vs. 19,2 %) kommt unter beein­trächtigten Studieren­den deut­lich häu­figer vor. Zudem begin­nen sie sel­tener ein Mas­ter­studi­um und sind – selb­st bei ver­gle­ich­baren Stu­di­en­leis­tun­gen – mehr als dop­pelt so häu­fig mit einem möglichen Stu­di­en­ab­bruch kon­fron­tiert (13,0 % vs. 4,7 %). Diese Zahlen lassen sich nicht durch indi­vidu­elle Leis­tungs­fähigkeit oder man­gel­nde Moti­va­tion erk­lären, son­dern sind Aus­druck sys­temis­ch­er Ver­säum­nisse: man­gel­nde Inklu­sion­s­mit­tel, fehlende Unter­stützung in Ver­wal­tung­sprozessen, unflex­i­ble Lehrfor­mate und das weit­ge­hende Fehlen diskri­m­inierungssen­si­bler Struk­turen. Der Nachteil­saus­gle­ich, eigentlich als Unter­stützungsmech­a­nis­mus konzip­iert, greift hier häu­fig zu spät, zu for­mal­isiert oder gar nicht – ins­beson­dere dann, wenn die Hür­den zur Antrag­stel­lung zu hoch oder die Entschei­dungsstruk­turen nicht nachvol­lziehbar sind. Eine stu­di­ener­schw­erende Beein­träch­ti­gung sollte nicht der Grund für einen Stu­di­en­ab­bruch sein. Der Ver­lust von Poten­zialen, Per­spek­tiv­en und Qual­i­fika­tio­nen ist nicht nur indi­vidu­ell tragisch, son­dern gesellschaftlich unver­ant­wortlich – ger­ade im Kon­text inklu­siv­er Bil­dungsver­sprechen und des Fachkräfte­man­gels. Ein wirk­sam imple­men­tiert­er Nachteil­saus­gle­ich ist dabei kein rein tech­nis­ches Ver­fahren, son­dern ein zen­trales Instru­ment zur Ver­mei­dung von Stu­di­en­ab­brüchen, zur Förderung von Stu­di­en­ver­läufen und zur Wahrung des Rechts auf Bil­dung für alle. Um dieser Ver­ant­wor­tung gerecht zu wer­den, braucht es mehr als nur rechtliche Rah­menbe­din­gun­gen: Es braucht ver­lässliche Unter­stützungssys­teme, niedrigschwellige Antrag­stel­lung, qual­i­fizierte Beratung und verbindliche Sen­si­bil­isierung der entschei­den­den Stellen. Nur so lässt sich sich­er­stellen, dass die Entschei­dung für ein Studi­um nicht durch struk­turelle Bar­ri­eren, son­dern durch inhaltliche Inter­essen getra­gen wird – und dass nie­mand das Studi­um abbrechen muss, weil die Hochschule ihrer Für­­sorge- und Schutzpflicht nicht gerecht wird. 1.3        Unter­stützungs­be­darf Die Unter­stützungs­be­darfe von Studieren­den mit stu­di­ener­schw­eren­der Beein­träch­ti­gung sind vielfältig und immer indi­vidu­ell zu betra­cht­en. Den­noch zeigt die best3-Studie, dass rund 27 % dieser Studieren­den spez­i­fis­che Anforderun­gen an die bauliche und tech­nis­che Ausstat­tung ihrer Hochschule oder konkrete Unter­stützungsleis­tun­gen for­mulieren. Beson­ders häu­fig genan­nt wer­den der Bedarf an Ruhe- und Rück­zugsräu­men(14 %) sowie Unter­stützung bei E‑Learn­ing-Ange­boten (11 %). Darüber hin­aus wün­schen sich viele Studierende Hil­fe im Stu­di­en­all­t­ag, etwa im Umgang mit Ver­wal­tung­sprozessen oder bei der Ori­en­tierung im Hochschul­sys­tem. Ger­ade im Kon­text des Nachteil­saus­gle­ichs ist das Fehlen solch­er Unter­stützungsange­bote gravierend. Ein erhe­blich­er Anteil der Studieren­den ohne gewährten Nachteil­saus­gle­ich gibt an, nicht gewusst zu haben, dass ein Antrag gestellt wer­den kann (40%). Etwa 33% der Studieren­den, die eigentlich berechtigt wären einen Nachteil­saus­gle­ich zu beantra­gen, geben an, keinen Nachteil­saus­gle­ich beantragt zu haben, dass sie nicht wis­sen, an wen sie sich zur Unter­stützung wen­den kön­nen. 57% geben an, nicht sich­er zu sein, ob sie anspruchs­berechtigt sind oder ob der Antrag über­haupt Chan­cen hätte– ein struk­turelles Prob­lem, das mit Infor­ma­tion­slück­en, intrans­par­enten Zuständigkeit­en und fehlen­der Begleitung zusam­men­hängt. Der Nachteil­saus­gle­ich muss daher nicht nur rechtlich gewährt, son­dern prak­tisch zugänglich gemacht wer­den – durch bar­ri­ere­freie Infor­ma­tio­nen, nieder­schwellige Beratungsange­bote und gezielte Unter­stützungs­maß­nah­men. 1.4        Diskri­m­inierungser­fahrun­gen Studierende mit stu­di­ener­schw­eren­der Beein­träch­ti­gung machen deut­lich häu­figer Diskri­m­inierungser­fahrun­gen im Hochschulkon­text als Studierende ohne solche Beein­träch­ti­gun­gen. Laut best3-Studie bericht­en 73 % der befragten Studieren­den mit Beein­träch­ti­gun­gen von min­destens ein­er Diskri­m­inierungser­fahrung – im Ver­gle­ich zu 58 % ihrer nicht beein­trächtigten Kommiliton*innen. Diese Dif­ferenz zieht sich auch durch spez­i­fis­che Sit­u­a­tio­nen: So geben 26 % der Studieren­den mit Beein­träch­ti­gun­gen an, dass ihnen Leis­tun­gen nicht zuge­traut oder erbrachte Leis­tun­gen her­abgewürdigt wur­den. Bei Studieren­den ohne Beein­träch­ti­gun­gen liegt dieser Wert deut­lich niedriger – bei nur 15–17 %. Beson­ders betrof­fen sind dabei Studierende mit Mehrfach­beein­träch­ti­gun­gen. Sie erleben nicht nur die stärk­sten Stu­di­ener­schw­ernisse, son­dern auch die höch­sten Diskri­m­inierungsrat­en: 27 % bericht­en von expliziten Benachteili­gun­gen auf­grund ihrer physis­chen oder psy­chis­chen Erkrankung. Knapp 26 % geben an, aus­ge­gren­zt oder über­gan­gen wor­den zu sein, 28 % bericht­en von her­ab­würdi­gen­der oder stereo­typ­isieren­der Behand­lung, 22,5 % wur­den im Hochschulkon­text sog­ar aus­gelacht. Diese Zahlen bele­gen, dass stu­di­ener­schw­erende Beein­träch­ti­gun­gen in vie­len Fällen nicht nur funk­tionale Ein­schränkun­gen darstellen, son­dern auch mit sozialen Auss­chlüssen, entwürdi­gen­der Kom­mu­nika­tion und struk­tureller Abw­er­tung ein­herge­hen. Diskri­m­inierung ist hier kein Neben­ef­fekt – sie ist inte­graler Bestandteil der Stu­di­en­re­al­ität viel­er Betrof­fen­er. Ger­ade im Ver­fahren des Nachteil­saus­gle­ichs gewin­nt dieser Befund an Bedeu­tung: Wer über Nachteil­saus­gle­iche entschei­det, bee­in­flusst maßge­blich die Teil­habechan­cen einzel­ner Studieren­der. Wenn jedoch – wie die Zahlen zeigen – ein rel­e­van­ter Teil der Betrof­fe­nen struk­turell benachteiligt und ent­mutigt wird, dann ist es nicht aus­re­ichend, Nachteil­saus­gle­iche for­mal kor­rekt zu ver­wal­ten. Vielmehr braucht es eine reflex­ive, diskri­m­inierungssen­si­ble Hal­tung bei allen Entscheidungsträger*innen – ins­beson­dere in Prü­fungsämtern, Auss­chüssen und Lehrstühlen. Die Angst vor Diskri­m­inierungser­fahrun­gen im Antragsver­fahren darf kein Grund bleiben, dass Studierende nicht die Hil­fe fordern, die ihnen rechtlich zuste­ht. Sen­si­bil­isierung muss deshalb zu einem verbindlichen Bestandteil hochschulis­ch­er Prax­is wer­den. Wer über Anträge auf Nachteil­saus­gle­ich urteilt, muss mit den Mech­a­nis­men von Stig­ma­tisierung, ableis­tis­ch­er Nor­ma­tiv­ität und nicht sicht­baren Beein­träch­ti­gun­gen ver­traut sein. Ohne dieses Bewusst­sein beste­ht die Gefahr, dass auch gut gemeinte Entschei­dun­gen pater­nal­is­tisch, unin­formiert oder – im schlimm­sten Fall – repro­duk­tiv diskri­m­inierend getrof­fen wer­den. Hinzu kommt: Die struk­turelle Diskri­m­inierung von Studieren­den mit Beein­träch­ti­gung ist auch inter­sek­tion­al ver­schränkt. So liegt der Anteil von Stu­dentin­nen mit stu­di­ener­schw­eren­den Beein­träch­ti­gun­gen mit 19 % deut­lich über jen­em von Stu­den­ten (12 %). Stu­dentin­nen geben zudem häu­figer psy­chis­che Erkrankun­gen an (67 % vs. 62 %). Und beson­ders betrof­fen sind Studierende mit der Geschlecht­sangabe divers oder andere, von denen mehr als die Hälfte (55 %) angibt, mit ein­er stu­di­ener­schw­eren­den Beein­träch­ti­gung zu studieren. Diese Zahlen machen deut­lich, dass Nachteil­saus­gle­ich nicht los­gelöst von Geschlecht, sozialer Posi­tion­ierung oder psy­chis­ch­er Gesund­heit gedacht wer­den kann. Beson­ders psy­chis­che Erkrankun­gen sind oft stig­ma­tisiert, was oft zu ein­er neg­a­tiv­en Entschei­dung in Nachteil­saus­gle­ichen oder anderen Maß­nah­men führen kann, welche eigentlich zur Unter­stützung

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