Zukunft der Lehre
Die Lehre in der bayerischen Hochschullandschaft steht mit den Veränderungen durch künstliche Intelligenz (KI) vor dem zweiten großen Reformbedarf der letzten Jahre, nachdem vor wenigen Jahren die Corona-Krise digitale Lehre für 400.000 Studierende einforderte. Gleichermaßen wie bei der Umsetzung digitaler Lehre stehen Hochschulen mit Blick auf die Einbettung von KI auf unterschiedlichen Leveln. Wir als Bayerischer Landesstudierendenrat (BayStuRa) stellen die Frage: Wie sieht gute Lehre aus? Aufgrund der Disruption durch KI bietet sich nun ein Moment, darüber zu reflektieren, in welche Richtung sich die Lehre entwickeln soll und welche Maßnahmen dafür notwendig sind. In acht Visionen stellt der BayStuRa auf den folgenden Seiten vor, wie die Lehre der Zukunft gestaltet werden kann. 1. Vision: Interaktive und kompetenzorientierte Lehre Ausschließlich monologartige Vorlesungen sollen der Vergangenheit angehören. Stattdessen soll in Zukunft bei Präsenzveranstaltungen verstärkt auf interaktive Lehrformate, wie z.B. projektbasierte Vorlesungen, problemorientierte Seminare uvm. gesetzt werden. Durch Interaktivität ergibt sich die Möglichkeit, didaktisch mehr auf die Studierenden einzugehen und gezielt auf die individuellen Lernfortschritte zu achten. [1] Auch Lehrmodelle wie Blended Learning oder Flipped Classroom oder die Einbettung von Gamification oder Virtual Reality-Elemente können zu einer Vertiefung des Lehrinhaltes beitragen [2]. Lehrende müssen hierfür durch Hochschulen geschult und qualifiziert werden, sodass kein verwirrender Methodenmix entsteht, sondern vielmehr eine zielorientierte, in sich stimmige Lehre. Lehren und lernen auf Augenhöhe eröffnet Potenzial für eine sichere Lernumgebung mit guter Fehlerkultur [3]. Eine solche Umgebung ermöglicht das Ausprobieren und Erproben neuer Wege und Ansätze – ein unerlässlicher Bestandteil für erfolgreiches Lernen. Große Grundlagenvorlesungen wird es weiterhin geben. Gerade bei diesen bietet sich eine asynchrone Nachbereitung der vermittelten Inhalte an [4]. Diese Vorlesungen sollten daher mit asynchron digitalen oder hybriden synchronen interaktiven Elementen und Didaktiken bereichert werden. Solche können z. B. Umfragen, Quizze oder anonymen Wissensabfragen beinhalten. Somit bekommen auch die Lehrenden sofort Feedback, welche Inhalte gut und welche weniger verstanden wurden. Als Werkzeuge sollen hierfür die Möglichkeiten der Digitalisierung eingesetzt werden, um ein kollaboratives Arbeiten und Lernen einfach zu ermöglichen. Insbesondere KI muss im Rahmen von Lehrveranstaltungen genutzt, hinterfragt und kritisch reflektiert werden können, sodass diese Kernkompetenz erworben werden kann. Projektbasierte Module ermöglichen Hands-on Erfahrungen und Praxisbezug, die theoretische Grundlagen ergänzen und Verständnis weiter vertiefen können. Außerdem ist es schon heute wichtig, den Studierenden, statt reiner Wissensvermittlung auch Kompetenzen im Bereich der Wissensaneignung und kritischen Quellenbewertung beizubringen. Dies wird vor dem Hintergrund einer immer digitaleren Welt mit ihrer Fülle an Information und Fehlinformation in Zukunft nur noch wichtiger. Daher sollen bei der Entwicklung neuer Lehrkonzepte und ‑formate immer auch die Kompetenzentwicklung mit fokussiert werden. Die Lehre der Zukunft ist interaktiv gestaltet und vermittelt neben Faktenwissen auch Methodenkompetenzen und Soft Skills. 2. Vision: Chancengleichheit für Studierende Die Forderungen nach asynchroner Bereitstellung von Vorlesungsinhalten sind nicht erst seit der Pandemie ein Thema, aber sie wurden dadurch definitiv verstärkt. Dabei stellt das ort- und zeitunabhängige Studieren entgegen vielen Befürchtungen keinen Widerspruch zu Präsenzveranstaltungen dar. Vielmehr kann es Studierenden Sicherheit geben und fördert eher den Fokus in den Präsenzveranstaltungen. Hierbei sollen asynchron bereitgestellte Lehrinhalte als Zusatzangebot dienen und Präsenzveranstaltungen nur in Ausnahmefällen bzw. in enger Abstimmung mit den Studierenden ersetzen. Asynchrone und hybride Lehrformate können die Teilhabe von weiteren Studierenden ermöglichen, weshalb sie eine gewinnbringende Ergänzung darstellen können [5], [6, S. 7f.]. Zudem gibt es unterschiedliche Gründe, warum Studierende nicht zu einer Vorlesung erscheinen können, so z. B. Studierende mit Kind, parallele Arbeit, Arzttermine, Krankheit. Hochschulen haben hier die Chance, sich an die gesellschaftliche Realität der letzten Jahrzehnte und die erweiterte Zielgruppe anzupassen und attraktive Angebote für alle zu liefern. Durch eine asynchrone Bereitstellung von Lehrinhalten kann unkompliziert sichergestellt werden, dass für Studierende keine Nachteile entstehen. Diese aufgezeichneten Inhalte können auch im Nachgang je nach Wichtigkeit der Aktualität in dem jeweiligen Fach für ein Folgesemester wiederverwendet werden. Bei Grundlagenvorlesungen, deren Inhalt sich selten verändert, ist die Bereitstellung von Aufzeichnungen in größeren Abständen möglich. Diese sollten aber mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen regelmäßig ergänzt werden. Bei der Bereitstellung live aufgezeichneter Veranstaltungen ist selbstverständlich auf den Datenschutz der anwesenden Studierenden zu achten. Auch die qualitativ sehr wünschenswerte Einbindung von internationalen Expert*innen wird durch ein digitales Angebot wesentlich vereinfacht. Durch gut aufbereitete digitale Lehrinhalte können weitere Vorteile wie übergreifende Bildungsplattformen, neue Lehrformen und ein individuelles Lerntempo der Studierenden entstehen und gefördert werden. Ein gut gewarteter und ansprechend aufbereiteter digitaler Lehrpool, der bayernweit, perspektivisch, aber auch europaweit zur Verfügung steht, schafft Ressourcen bei den Dozierenden und ermöglicht eine vernünftige Einbindung der digitalen Inhalte in das Lehrangebot. Bei diesem können beispielsweise oft gelesene Inhalte in kleinen Einheiten von 10–15 Minuten-Videos zur Verfügung gestellt werden. Zudem erhöht ein digital zugreifbares und vielfältiges Angebot von hochqualitativen Spezialseminaren und Vorlesungen zwischen den Hochschulen die Lehrqualität und Freiheit im Studium. Bei Lehrveranstaltungen, welche in kleineren Gruppen parallel durchgeführt werden, wie z. B. Tutorien, sollte es jeweils ein Teilangebot in digitaler Form geben, sofern das digitale Angebot didaktisch gleichwertig zur Präsenzform sein kann. Dafür und für digitale Lerngruppentreffen sollen alle Studierende kostenlos und dauerhaft Zugang zu einer datenschutzkonformen Videokonferenzplattform haben. Für Chancengerechtigkeit bedarf es allerdings nicht nur Flexibilität durch online-Angebote, sondern auch kostenlos verfügbare Hard- und Software, die die Teilnahme an Kursen aller Art ermöglicht [7]. Auch Zugänge zu unterschiedlichen Ressourcen wie KI-Modellen oder fachspezifischen Werkzeugen und Büchern müssen für alle Studierenden kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Partiell digitale synchrone und asynchrone Lehre sichert die Chancengleichheit unter Studierenden. Außerdem fördert eine hochschulübergreifende Vernetzung die Lehrqualität und schafft bei den Dozierenden Ressourcen, um sich auf eine ansprechende Wissensvermittlung zu konzentrieren. [8] 3. Vision: Learning Analytics als Ergänzung zur Erfassung des individuellen Lernfortschritts Diese orts- und zeitunabhängige Bereitstellung von Inhalten ermöglicht es Studierenden auch, in ihrem eigenen Tempo zu lernen [9]. Dabei könnten sie neben den ausgegebenen Lernzielen auch von Learning Analytics unterstützt werden. Dies soll als freiwillige, sinnvolle Ergänzung zum guten Unterricht dienen und keinesfalls diesen ersetzen. Ebenfalls soll die Freiheit im Studium durch neue Lernmethoden und Werkzeuge nicht beschnitten, sondern bereichert werden. Unnötiger und zusätzlicher Druck durch KI gestützte Überwachung des Lernfortschritts muss vermieden werden. In diesen Fällen wären digitale Selbstkontrolltests zu den einzelnen Lernmodulen eine sinnvolle Alternative. Weitere wichtige
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